Full text: Schicksale unseres Volkes, zusammenfassende Darstellung der staatlichen Zustände unseres Volkes (Bd. 4, Abt. 1)

— 22 — 
böhmischen Stände; nun verlor der Kaiser auch noch sein letztes 
Erbland, Matthias wurde im Jahre 1611 auch König von Böhmen. 
Im Jahre darauf starb Rudolf. — 
In seiner Bedrängnis hatte Rudolf, um sich die Treue der 
böhmischen Stände zu bewahren, im Jahre 1609 den Böhmen 
den berühmten Majestätsbrief gegeben; danach sollen die Evangelischen, 
die sich zu der im Jahre 1575 Kaiser Maximilian II. übergebenen 
Bekenntnisschrift bekennen, und die Katholiken Gewissensfreiheit 
haben; kein Teil soll den anderen bedrängen; der Herren- und 
Ritterstand und die königlichen Städte dürfen den Gottesdienst 
überall ausüben; das „untere Pragerische Konsistorium" soll den 
Evangelischen wieder übergeben werden, ebenso die Prager Universität; 
für beide Institute mögen sie Defensoren bestellen. Zugleich ver¬ 
trugen sich die katholischen und evangelischen Stände Böhmens 
dahin, daß in Zukunft die Protestanten auf den königlichen Kron- 
gütern Kirchen zu bauen und Gottesdienst zu halten berechtigt sein 
sollten. Auch die schlesischen Protestanten ließen sich damals 
Religionsfreiheit zusichern. — 
Matthias (1613—1619) wurde im Juni des Jahres 1613- 
zum Kaiser gewählt. Wieder verschuldete es Kursachsen, daß die 
Möglichkeit, die Lage der Evangelischen bei der Wahl zu verbessern, 
unbenutzt blieb. Im Reiche versuchte der Kaiser mit seinem Rat¬ 
geber, dem Kardinal Klesl, der sich in den neunziger Jahren des 
16. Jahrhunderts bei der Wiederherstellung des Katholicismus in 
Ober- und Niederösterreich ausgezeichnet hatte, eine zwischen beiden 
Religionsparteien vermittelnde Stellung einzunehmen, um das Reich 
im Innern zur Ruhe zu bringen und nach außen zu kräftigen. 
Der Reichstag von Regensburg (1613) ließ es zu keiner Annäherung 
kommen. Die Evangelischen verlangten Schutz vor den parteiischen 
Erkenntnissen des Reichshofrats, Restituierung Donauwörths und 
ähnliches. Die katholischen Stände waren zu keinem Nachgeben 
bereit. Auch in diesem Falle hielt sich Kursachsen nicht zur Kur¬ 
pfalz. Die Türkenhilfe wurde bewilligt. Die linierten hatten 
vorher den Reichstag verlassen. — Matthias blieb kinderlos. 
So ersah man sich den jesuitischen Ferdinand von Steiermark zum 
Nachfolger. Er hatte in Kärnten und Steiermark den Protestantismus 
mit Gewalt unterdrückt, und während in der Zeit der Wirren 
zwischen Matthias und Rudolf die übrigen österreichischen Erblande
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.