Full text: Lebensbilder aus der deutschen Götter- und Heldensage

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„Es saßen längs ben Wänben bie Schaaren Hela's brin, 
Sie waren so blaß unb kränklich unb siebten, als Thor trat hin. 
Der kalte Angstschweiß perlenb aus ihrer Stirne staub, 
Um ihre magern Leiber sich eine Schlange wanb, 
Es war so still im Hause unb überall Leichenbnst, 
Nie Lebenstöne braugeu, nur Seuszer burch bie Suft." 
Loki'szweiter Nachkomme war die große Midgards¬ 
schlange. Allvater stieß sie ins große Weltmeer hinab, 
wo sie allmählich so groß ward, daß sie sich um den ganzen 
Erdball legte und diesen zusammenhielt. Wenn sie ihren 
ungeheuren Leib im Wasser nur ein wenig rührte, so türmte 
sich das Meer haushoch am Strande auf, und das nannten 
die Menschen dann Brandung. Als die Götter dies Unge¬ 
heuer auf dem Grunde des Meeres festgebannt sahen, da 
sreuten sie sich gar sehr, denn nun brauchten sie nicht mehr 
zu fürchten, allesamt von ihm verschlungen zu werden. 
Am meisten fürchteten die Götter aber Das dritte Un¬ 
geheuer, den Fenriswols. Sie behielten das Tier bei 
sich in Afenheim, um es unter steter Aufsicht zu haben, da¬ 
mit es nichts Böses anrichte. Als es nun aber immer größer 
und stärker wurde, und von allen Göttern nur Tyr, der 
Gott des Krieges und der Kühnheit, den Mut hatte, es zu 
füttern, da sahen sie ein, daß ihnen von diesem Tiere Ver¬ 
derben drohe. Sie beschlossen daher, es zu binden und so 
unschädlich zu machen. Aber das kostete viele Mühe; der 
Wolf zerriß alle Bande mit der größten Leichtigkeit, ja, er 
hatte die Götter sogar noch zum besten. Er ließ sich ruhig 
mit einer starken eisernen Kette festbinden, aber als er nur 
eine ganz kleine Bewegung machte, fiel diese in Stücken herab. 
Einer zweiten, noch einmal so starken Kette erging es nicht 
besser. Endlich baten sie Allvater um Rat, und der schickte 
einen Boten zn den klugen Zwergen und hieß sie ein Band 
für den Fenriswolf machen. Der Bote brachte ein ganz 
dünnes Bündchen, das war sanft und weich wie Seide, aber
	        
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