Full text: Die Urzeit, Das Frankenreich unter den Merowingern und Karolingern (Theil 1)

Die Völkerwanderung. 
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ant Mittelrhein. Noch später treten in der Mitte Deutschlands, süd¬ 
lich von den Sachsen, die Thüringer auf, deren Hauptbestandteil die 
alten Hermunduren gewesen zu sein scheinen, die wohl vor den nach¬ 
dringenden Slawen aus dem Meißnischen, wo sie erst wohnten, west¬ 
wärts gewichen waren, serner die Bosoaren oder Baiern, wahr¬ 
scheinlich eine Mischung von Markomannen, Qnaden, Rugiern, Skir- 
ren k., anfänglich in Böhmen, dann von den Czechen ebenfalls weiter 
nach Westen gedrängt, endlich die, angeblich aus den Oder- uud 
Weichselgegenden herkommenden, Burgunder, die sich zwischen die 
Franken und die Alemannen hineinschieben. Das Nibelungenlied giebt 
ihrem König Günther Worms zur Residenz. Später finden wir die 
Burgunder weiter südlich an der Rhone. 
Andere Stämme, wie die Gothen, die Vandalen, die Lango¬ 
barden, treten erst in der Völkerwanderung aus dem Dunkel der 
Sage hervor, stehen dctiut eine Zeitlang im Vordergrund der Ge¬ 
schichte, verschwinden aber später spurlos. 
Wodurch diese Bildung neuer Stammesgruppen (in denen die in 
der Urzeit genannten Völkerschaften aufgegangen sein müssen) bewirkt 
worden ist, darüber fehlen uns positive Nachrichten. Nur vermuten 
läßt sich, daß das eine Mal ein stärkerer Stamm und dessen unternehmen¬ 
der Anführer eine Anzahl schwächerer Nachbarstämme sich unterworfen 
hat, (wie seinerzeit Marbod that), daß ein anderes Mal das Gesühl einer 
gemeinsamen Gefahr von außen zu solchen Verbindungen den Anstoß 
gegeben, wie das vorübergehend bei den Cheruskern unter Armin der 
Fall war. 
Im zweiten Jahrhundert n. Chr. beginnt dann auch jene Be¬ 
wegung germanischer Stämme nach außen, die man als den Beginn 
der „Völkerwanderung" — dies Wort im weiteren Sinne ge¬ 
nommen — anzusehen hat — Ob dieselbe, wie manche Geschichts¬ 
schreiber annehmen, durch Übervölkerung veranlaßt ward (obschon doch 
gewiß noch viel urbar zu machendes Land vorhanden war), ob der 
alte Wandertrieb der Germanen wieder erwachte und sie nicht ruhen 
ließ, oder ob, da die ersten Stämme, welche ihre alten Sitze ver¬ 
lassen, die Ostgermanen sind, diese durch Vorstöße der hinter ihnen 
wohnenden Slawen zum Auswandern gedrängt wurden, darüber ist 
etwas Sicheres ebenfalls nicht zu ermitteln. 
Die Bewegung traf von allen Seiten auf das römische 
Reich, welches damals den ganzen Süden und Westen Europas von 
der Donau bis zum Mittelländischen Meere und vom Rhein bis zum 
Kanal, ja bis auf die britische Insel einnahm. Diese ungeheure Aus-
	        
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