Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte für höhere Schulen

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daselbst und strebte offen nach dem Erwerb der vollen Landesherrschaft 
in den Ländern um den Vierwaldstättersee. Es gelang ihm dies auch 
mehr oder minder in Unterwalden, während Schwyz und Uri ihre Un¬ 
abhängigkeit zu wahren wußten und unter dem Kaiser Heinrich VI. 
sowie Friedrich II. die Reichs Unmittelbarkeit erlangten. Als 
Graf Rudolf vonHabsburg den deutschen Königsthron bestieg, waren 
die Waldstätte tatsächlich reichsunmittelbar; er bestätigte aber nur den 
Schwyzern ihre Unabhängigkeit, nicht den Urnern, doch wußte er sich durch 
Güte und Gerechtigkeit die Bewohner zu gewinnen. Nach seinem Tode 
aber schlossen die sog. Waldstätte am 1. August 1291 einen „ewigen 
Bund", durch welchen sie sich feierlich verpflichteten, als Vögte oder Richter 
nur Landsleute oder doch nur solche, welche im Lande wohnten, anzunehmen. 
Dieser Bund ist als die Grundlage der schweizerischen Eidgenossenschaft an¬ 
zusehen. Von da ab begegnen uns in der Geschichte die Landammänner, 
welche sowohl unter König Adolf von Nassau wie unter dem Habs¬ 
burger Albrecht ziemlich ungestört ihres Amtes walteten, wenngleich letzterer 
den Waldstätten Uri und Schwyz die ihnen von seinem Vorgänger be¬ 
willigte Reichsunmittelbarkeit nicht zugestand. Landammann in Uri war 
längere Zeit Werner der Freie von Attinghausen, in Schwyz der aus 
edlem Geschlechte stammende Stauffacher. 
Nach Albrechts Tode gewährte Heinrich VII. allen drei Waldstätten 
die erbetene Reichsunmittelbarkeit, welche ihnen auch Ludwig von Bayern 
zugestand, während sein Gegenkönig Friedrich von Österreich die alten 
Rechte seines Hauses geltend machte. Um die Waldstätte zur Unterwerfung 
zu zwingen, rückte Friedrichs Bruder, Leopold von Österreich, mit 
einem aus der Blüte der oberlündischen Ritterschaft bestehenden Heere gegen 
den Vierwaldstättersee vor, wurde aber 1315 in der Schlacht am Mor¬ 
garten total geschlagen. Damit war die Freiheit der Waldstätte besiegelt. 
Im Dezember desselben Jahres erneuerten die Männer von Uri, Schwyz 
und Unterwalden zu Brunnen den „ewigen Bund" von 1291 und be¬ 
gründeten damit die schweizerische Eidgenossenschaft. Noch vor 
Ablauf des 14. Jahrhunderts traten die Landschaften Luzern, Zug, Glarus, 
Zürich und Bern dem Bunde bei. 
So ist der nach den neueren Forschungen beglaubigte Hergang. Alles, 
was die Schweizerchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts von der durch 
Walther Fürst aus Uri, Werner Stauffacher aus Schwyz und 
Arnold vom Melchtale aus Unterwalden veranstalteten Zusammenkunft 
von 30 Gleichgesinnten, von dem Schwur auf dem Rütli, von dem 
Apfelschusse Tells, des Schwiegersohnes Walther Fürsts, von der Er¬ 
mordung Geßlers von Bruneck durch Tell und von der Vertreibung 
Beringers von Landenberg am Neujahrsmorgen 1308 erzählen, 
ist historisch nicht verbürgt und von der neueren Geschichtsforschung der 
Hauptsache nach in das Gebiet der Dichtung verwiesen worden. Die Sage
	        
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