Full text: Erzählungen aus der Geschichte des Altertums und der deutschen Geschichte (Bd. 2)

42 III. Lebensbilder aus der deutschen Geschichte. ' 
auf und zogen „in Schiffen und auf Straßen" gen Mainz, wohin sie Kaiser 
Friedrich I. geladen hatte, der Schwertleite (Wehrhastmachnug) seiner beiden 
ältesten Söhne beizuwohnen. Keiner wollte durch fein Ausbleiben den hohen 
Herrn kränken oder den Glanz des Reichstags verringern, noch auch die Ge¬ 
legenheit versäumen, durch die Pracht des Aufzuges und die Größe des Ge¬ 
folges feine eigene Macht und feinen Reichtum zu bekunden. Aber nicht bloß 
die deutsche, vielmehr die Ritterschaft der ganzen Christenheit schien sich um 
Friedrich als ihren gemeinsamen Oberherrn versammeln zu wollen: ans Frank¬ 
reich und Italien, von Jllyrien und den slavischen Ländern und von Spanien 
strömten die Scharen zusammen. Niemand hat sie gezählt, aber aus 70000 
konnte ein Augenzeuge die Zahl der anwesenden Ritter schätzen; dazu kamen 
dann noch die Geistlichen und die Menge des Volkes. 
Für alle aber hatte der kaiserliche Wirt Sorge getragen. Das alte 
Mainz vermochte nicht die Menge der Gäste zu fassen; darum erhob sich jen¬ 
seits eine neue Stadt in der weiten, schönen Ebene, die auf zwei Seiten vom 
Rhein und Main begrenzt, bis gegen Hochheim sich hinzieht, nördlich aber 
im Hochgeschwimgenen Bogen vom Taunusgebirge umschlossen wird. Inmitten 
dieser Stadt standen, aus Holz gezimmert, die kaiserliche Pfalz und das große, 
geräumige Gotteshaus, ringsum, an Glanz wetteifernd, die Wohnungen der 
Fürsten, endlich in buntem Gewimmel unzählige Zelte. Am Morgen des 
heiligen Pfiugstfestes schritt man znr feierlichen Prozession. Die Herzöge von 
Sachsen, von Böhmen und von Österreich, der Psalzgras bei Rhein und der 
Landgraf von Thüringen stritten sich um das Recht, das kaiserliche Schwert 
trageu zu dürfen. Dann zogen der Kaiser, seine Gemahlin Beatrix und 
König Heinrich mit goldenen Kronen auf dem Haupte, begleitet von der 
glänzenden Schar der geistlichen und weltlichen Fürsten, zum Hochamt. Die 
Anwesenheit der Erzbischöfe von Magdeburg, Köln, Mainz, Trier, Besan^on 
und Reims erhöhte die Pracht und Würde der kirchlichen Feier. 
Die beiden folgenden Tage waren ritterlichen Spielen und Festlichkeiten 
geweiht. Am Montag nach der Frühmesse und dem Morgenimbiß wurden 
der neunzehnjährige Heinrich und sein Bruder, Herzog Friedrich von Schwaben, 
mit dem Schwerte umgürtet und gehörten von nun an als mündige, wehr¬ 
hafte Männer dem Ritterstande zu. An diese Feier schlossen sich lustige 
Kampfspiele an. Mit stumpfen Waffen rannten bie Ritter, ihre Kunst zu 
zeigen, im abgemessenen Kreise widereinander, und keiner tat es dem Kaiser 
Friedrich vor, der wie in früherer Zeit mit jugendlicher Kraft fein Roß 
tummelte und gewandt und zierlich Speer und Schild zu führen wußte. 
Alsdann ging es zum fröhlich-bunten Gelage und zu Lustbarkeiten jeg¬ 
licher Art. Auch das geringe Volk hatte feinen Teil an dem fröhlichen Feste. 
Der Armen und Kranken, der Pilger und Gefangenen, der Spielleute und 
Sänger und Gaukler, die an solchen Tagen von allen Seiten herangezogen 
kamen, wartete reiche Gabe. Die Ritter und Knappen wurden mit Roß und 
Waffen, mit kostbaren Kleidern, Silber und Geld beschenkt. Der Kaiser und
	        
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