Full text: Fürst Bismarcks Lebenswerk

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will, dann müssen sie mit Weib und Kindern hungern. Be¬ 
sonders schlimm ist es, wenn der Arbeiter krank wird oder 
zum Arbeiter: zu alt wird oder wenn er ein Bein oder 
einen Arm verliert oder sonst einen Unfall hat, so daß er 
überhaupt nicht mehr arbeiten kann, auch wenn gerade Ar¬ 
beiter gesucht werden. 
Diese Übelstände, die aus dem Widerstreit der Interessen 
Herkommen, nennt man soziale Übelstände; und wenn man 
nun fragt, wie man diese Übel heilen soll, so nennt man das 
die soziale Frage. 
Nun ist es ja ganz gewiß niemals schön, wenn man sich 
sein Essen gut schmecken läßt, und nicht daran denkt, daß so 
und so viele unserer Mitmenschen, ja unserer deutschen Volks¬ 
genossen nicht satt zu essen haben. Aber wie die Menschen nun 
einmal sind: da würde doch jeder erst auf seine Bratenschüssel 
sehen und dann auf seine hungernden Mitmenschen, und dann 
würde er sagen: „Kinder, das seht ihr doch, ihr seid zu viel, 
und der Braten ist zu wenig; wenn ich den unter euch verteile, 
dann kriegt jeder nur einen Leckerbissen, und Leckerbissen sind 
nicht gut für den Menschen. Da will ich ihn lieber allein essen, 
dann hat wenigstens einer etwas Ordentliches." Und das wäre 
ja auch schließlich ganz vernünftig, denn der Einzelne kann 
wirklich nicht allen seinen Mitmenschen helfen. Aber mit dem 
ganzen Volk ist das doch eine ganz andere Sache und be¬ 
sonders mit dem deutschen Volk. Denn bei uns ist ja alles 
darauf eingerichtet, daß jeder gesunde Mensch Soldat werden 
muß, damit wir uns verteidigen können gegen alle anderen 
Völker, die uns unser deutsches Reich nicht gönnen wollen. 
Und wenn bei uns zu viele Leute wohl gar schon als Kinder 
hungern müssen, dann werden sie zu schwächlich, um Soldaten 
werden zu können. Wertn also das deutsche Volk nicht barm¬ 
herzig genug wäre, um allen seinen Volksgenossen satt zu essen 
zu geben, so müßte es doch klug genug dazu sein.
	        
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