Full text: Kommentar zu Serie I der Kulturgeschichtlichen Bilder (H. 1)

beichtet, daß er seit der Vermählung Ottos mit Maria (Tochter des Herzogs- 
Heinrich IV. von Brabant) in Aachen denselben verlassen und sich bereits 
dem milden Staufer zugewendet habe, von dem er hoffe, daß er Deutschlands 
Ehre wiederherstellen, dem Reiche Frieden und Ruhe geben und ihm auch 
ein Lehen verleihen werde, damit er im Alter des Anklopfens an fremde 
Thüren überhoben sei." Denn wenig Freude habe er in Ottos Dienst erlebt: 
gering achte dieser die Sangesknnst, und freche Gesellen, die ihm selbst glichen, 
seien seine liebste Gesellschaft, wilde Zechgelage seine willkommenste Be¬ 
lustigung ; auch habe er ihm trotz vielfacher Versprechungen den wohlverdienten 
Lohn vorenthalten. Spottend spricht er daher: 
loh wolte ern Otten milte näch der lenge mezzen, 
do häte ich an der mäze mich ein teil vergezzen: 
waer er so milte als lanc, er hete tugende vil besezzen. ** 
vil schiere maz ich abe den lip näch siner ere: 
do wart’ er vil gar ze kurz als ein verschroten werc, 
miltes muotes minre vil dann’ ein getwerc, 
und ist doch von den jären, daz er niht enwahset mere. 
do ich dem künege brähte dez mez, wie er üf schoz! 
sin junger lip wart beide michel unde gröz. 
nü seht, waz er noch wahse! er’st ieze übr in wol risen genoz, 
(S. Pfeiffer. No. 148. S. 258!) 
Herrn Ottos Milde wollt ich nach der Länge messen; 
Vergriffen hat ich mich an diesem Maß indessen: 
War er so mild als lang, viel Tugend hätt' er dann besessen. 
Nun maß ich aber seinen Leib nach seiner Ehre, 
Da ward er plötzlich viel zu kurz, wie ein zerbrochen Schwert, 
An mildem Sinn zum winzig kleinsten Zwerg verkehrt; 
Ja wenn er noch zu wachsen nicht zu alt an Jahren wäre! 
Dem König bracht' ich nun das Maß: der schoß empor! 
Sein junger Leib ward stark und groß wie nie zuvor; 
Er wächst wohl noch und ragt schon riesig über ihn hervor. 
(S. Simrock. No. 77. S. 86!) 
9?ocf) lange unterhält sich der Wirt mit dem Sänger, von dem er weiß, 
daß ihm neben Minnedienst auch seines Vaterlandes Wohl und Wehe am 
Herzen liegt. Während dieser Zeit hat die Herrin ihre jüngste Aochter, 
welche sich noch nicht ant Mahle beteiligen durfte, aus dem Frauenhause, wo 
* S. den Spruch Walthers: Von Rome voget, von Fülle künec, lät iuch 
erbarmen! Pfeiffer No. 149. S. 259. 
** Zum Verständnis dieses Gedichtes muß bemerkt werden, daß Otto durch feinen 
hohen Wuchs ausgezeichnet war, ja daß nach der Ursperger Chronik feine Stärke und hohe 
Gestalt ein Grund war, der die Fürsten bewogen hat, ihn zum Throne zu berufen." Uhland.
	        
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