Full text: Kleine Lebensbilder aus dem Alterthum

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der Meeresküste und die armen Bewohner der Berge einander be¬ 
kämpften, so richteten sich die Augen Aller auf Solon, der durch 
seine Weisheit und Freundlichkeit das Vertrauen des Volkes gewon¬ 
nen hatte und durch seine Vermögensverhältnisse in der Mitte 
zwischen den Reichen und den Armen stand. Ihm übertrug man 
-as Amt, die inneren Verhältnisse zu ordnen und den Frieden her¬ 
zustellen. Zuerst erleichterte er durch geschickte Mittel den Armen 
die Möglichkeit, ihre Schulden zu bezahlen, und verbot, daß hinfort 
die Schuldner den Gläubigern als Sclaven verfielen. Dann setzte 
er den Areopag, einen alten, ehrwürdigen Gerichtshof, in sein 
früheres Ansehen wieder ein und übergab ihm die Aufsicht über die 
Sitten der Bürger, wie die Untersuchung der schweren Verbrechen. 
Die neun Archonten behielt er bei; er gab der Volksversammlung 
bedeutende Rechte; sie entschied durch Abstimmen über die wichtigsten 
Staatsangelegenheiten, über Krieg und Frieden, über Abschließung 
von Bündnissen, über neue Gesetze oder Abschaffung früherer, uud 
hatte das Recht, die Beamten zu wählen. Neben derselben stand 
der Rath der Vierhundert, der die Gesetze vorher berieth, ehe sie der 
Volksversammlung vorgelegt wurden. Außerdem theilte er das Volk 
nach dem Grundbesitze und den Vermögeusverhältnissen in vier 
Klassen, um danach die Leistungen für den Staat, namentlich den 
Kriegsdienst, zu bestimmen. Die Mitglieder der vierten und ärmsten 
Klaffe durften in der Volksversammlung mitstimmen, konnten aber 
keine ^taatsämter bekleiden und dienten im Kriege nur als Leicht¬ 
bewaffnete oder auf der Flotte. Als diese seine Maßregeln, so 
weise sie auch waren uud den Verhältnissen entsprachen, dennoch 
nicht Alle befriedigten, begab Solon sich auf Reisen, nachdem er die 
Bürger hatte schwören lassen, seine Gesetzgebung zehn Jahre zu 
halten. Auf diesen Reisen kam er auch zum Crösus, dem reichen 
Könige von Lydien in Kleinasien, der sich für den glücklichsten der 
Menschen hielt. Solon warnte ihn, dem Glücke zu trauen und 
legte ihm seine Ansicht vom wahren Glücke dar, indem er ihm vom 
Tellus erzählte, einem athenischen Bürger, der im blühenden Kreis 
von Kindern und Enkeln bei ausreichendem Einkommen gelebt habe 
und den schönen Tod für das Paterland im Kampfe mit einem 
Nachbarvolke gestorben sei. Als sich Crösus darüber verwunderte 
und fragte, wer denn nach diesem der glücklichste sei, nannte er ihm
	        
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