— 15 —
der Meeresküste und die armen Bewohner der Berge einander be¬
kämpften, so richteten sich die Augen Aller auf Solon, der durch
seine Weisheit und Freundlichkeit das Vertrauen des Volkes gewon¬
nen hatte und durch seine Vermögensverhältnisse in der Mitte
zwischen den Reichen und den Armen stand. Ihm übertrug man
-as Amt, die inneren Verhältnisse zu ordnen und den Frieden her¬
zustellen. Zuerst erleichterte er durch geschickte Mittel den Armen
die Möglichkeit, ihre Schulden zu bezahlen, und verbot, daß hinfort
die Schuldner den Gläubigern als Sclaven verfielen. Dann setzte
er den Areopag, einen alten, ehrwürdigen Gerichtshof, in sein
früheres Ansehen wieder ein und übergab ihm die Aufsicht über die
Sitten der Bürger, wie die Untersuchung der schweren Verbrechen.
Die neun Archonten behielt er bei; er gab der Volksversammlung
bedeutende Rechte; sie entschied durch Abstimmen über die wichtigsten
Staatsangelegenheiten, über Krieg und Frieden, über Abschließung
von Bündnissen, über neue Gesetze oder Abschaffung früherer, uud
hatte das Recht, die Beamten zu wählen. Neben derselben stand
der Rath der Vierhundert, der die Gesetze vorher berieth, ehe sie der
Volksversammlung vorgelegt wurden. Außerdem theilte er das Volk
nach dem Grundbesitze und den Vermögeusverhältnissen in vier
Klassen, um danach die Leistungen für den Staat, namentlich den
Kriegsdienst, zu bestimmen. Die Mitglieder der vierten und ärmsten
Klaffe durften in der Volksversammlung mitstimmen, konnten aber
keine ^taatsämter bekleiden und dienten im Kriege nur als Leicht¬
bewaffnete oder auf der Flotte. Als diese seine Maßregeln, so
weise sie auch waren uud den Verhältnissen entsprachen, dennoch
nicht Alle befriedigten, begab Solon sich auf Reisen, nachdem er die
Bürger hatte schwören lassen, seine Gesetzgebung zehn Jahre zu
halten. Auf diesen Reisen kam er auch zum Crösus, dem reichen
Könige von Lydien in Kleinasien, der sich für den glücklichsten der
Menschen hielt. Solon warnte ihn, dem Glücke zu trauen und
legte ihm seine Ansicht vom wahren Glücke dar, indem er ihm vom
Tellus erzählte, einem athenischen Bürger, der im blühenden Kreis
von Kindern und Enkeln bei ausreichendem Einkommen gelebt habe
und den schönen Tod für das Paterland im Kampfe mit einem
Nachbarvolke gestorben sei. Als sich Crösus darüber verwunderte
und fragte, wer denn nach diesem der glücklichste sei, nannte er ihm