45
Die Reisenden, die von Abenteuern
Gesprochen und von Ungeheuern,
25 Die Stutzer, die von Pferd und Wagen
Und Hunden und Moden so vieles sagen.
Und wie sie schauen nach dem Orte,
Von woher dringen die lieblichen Worte:
Mit gefalteten Händen das Mädchen steht
30 Und spricht sein gewohntes Tischgebet.
Und, wie beseelt von höherem Geist,
Falten auch sie die Hände zumeist
Und horchen alle mit rechtem Fleisse
Auf des betenden Kindes Weise.
35 Drauf setzt es sich nieder mit stiller Freude
Und achtet nicht auf all die Leute.
Die aber, ergriffen im tiefsten Innern,
Mussten sich oft noch daran erinnern;
Und mancher hat wieder gebetet fortan,
40 Was er schon lange nicht mehr gethan.
69. Zwei Gespräche.
(Robert Reinick.)
Ich stand einmal des Morgens im Dorfe an dem Kreuz¬
wege, wo der eine Weg gleich in die Schule führt, der an¬
dere aber links nach der Kinneiswiese. Es war schönes Wetter.
Da hörte ich zwei Knaben folgendes sprechen:
„Guten Tag, Karl!“
„Guten Tag, Michel!“
„Wo gehst du Ihn, Karl?“
„In die Schule, Michel.“
„Ei was! In der Schule ist’s garstig, da muss man
lernen; draussen auf der Wiese sollst du einmal sehen, da
ist’s jetzt hübsch! Komm, wir wollen dahin spielen gehen,
Karl! “
„Am Abend, Michel; jetzt geh’ ich lernen, ade!“
„Meinetwegen, geh du arbeiten, Karl, ich geh’ spielen, ade!“
Zwanzig Jahre danach stand ich in demselben Dorfe an
derselben Stelle. Es war ein böser, kalter Wintertag. Ein
blasser, Ärmlich gekleideter Mensch klopfte an die Thür des
Schulhauses an. Der Lehrer, ein starker, junger Mann, öffnete
diese, und ich hörte nun die beiden folgendes sprechen:
„Guten Tag, lieber Herr!“
„Guten Tag, lieber Alaun!“
„Ach Herr, erbarmet Euch mein!“