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Er steht's, und denkt's, und rennt
die Höh'
Hinan; schreit: »Weh'!«
Und wirst sich, heulend, nieder.
Dann springt er auf; stürzt fort
im Lauf,
Und schreit, daß Thal und Felsen¬
knauf
Von seinen Iammertönen,
Nachjammernd, wiedcrdröhnen:
»Mein Weib, mein Kind, mein
Glück, mein All'
Ist eingescharrt, verschüttet,
Zerschmettert vom Lawinenfall;
Vom Eiskrystall
Vermauert und verkittet!
Auf, auf vom Schlaf, Alphütt-
ler, auf!
Zwei Leben, drei stehn hier zu Kauf!
Auf, auf, mit Hand und Spaten
Zu helfen und zu rathen!«
Und mit der Sonne wallt's hinan
Im hilfbefliff'nen Zuge,
Mit Hack' und Schaufel, Kind und
Mann,
Er vorne dran,
Empor zum Felsenbuge.
Die Hände ruhn und rasten nicht,
Bis Scholl' um Scholle schmilzt
und bricht;
Doch wie die Mass' auch schwin¬
det,
Ihr Schoß bleibt unergründet.
Drei Tage, wechselnd, wallt's
hinan
In hilfsbeflisstnem Zuge,
Mit Hack' und Schaufel, Kind und
Mann,
Cr vorne dran,
Und wühlt am Felsenbuge.
Umsonst, umsonst! das Meer hat
Grund,
Hier aber schwindet Stund' um
Stund',
Und ohne Gottes Segen
Bleibt alles Thun und Negen.
Da sinkt die Hoffnung jedem
Sinn,
Abstehn sie alle, klagend,
Nur er stürzt auf den Wall noch hin,
Und grabt darin,
Und wühlt, noch nicht verzagend.
Er wühltbeiTage, wühltbeiNacht,
Mit ewig neuer Kraft und Macht,
Trotz allem Herzensklopfen,
Trotz aller Schweißestropfen.
Der neunte Tag geht auf! die Last
Des Schnee's ist abgequollen; —
Und wieder gräbt er, ohne Rast,
Und stößt mit Hast
Auf festern Grund, als Schollen.
Stößt wieder ein, stößt wieder an,
Und gräbt und schaufelt, was er
kann, —
Auftaucht's — ihr Heil'gen Got¬
tes! —
Es ist das Dach des Schlottes!
Des Schlottes Dach, des Hau¬
ses Mund,
Der führt zu seinem Herzen!
Er legt das Ohr an, horcht am
Schlund, —
Es rauscht im Grund,
I Und seufzt , wie Ruf der Schmerzen!
1 Und nochmal horcht er, nochmal
tönt's,
! Und wieder, horch! und wieder
dröhnt'S! —
: In unbewußter Eile
Langt er nach einem Seile.