514 XI. Die Römer.
nothleidenden Mitbürger empfand. Vianlius war für diese Dankbarkeit
und Anhänglichkeit des gedrückten Volkes nicht unempfindlich. Er ver-
kaufte sein Erbe, ein Grundstück im Vejentischeu, und schwur, so lange
ihm noch ein Rest seines Vermögens übrig sei, werde er es nicht ge¬
schehen lassen, daß einer seiner Mitbürger als Schuldknecht in den Ker¬
ker abgeführt werde.
Manlius' Wohnung ans der Burg war bald der Sammelpunkt der
Häupter und Wortführer der Plebs. Manch hartes Wort der Anklage,
manche aufreizende Rede mag hier gefallen, manch kühner Gedanke aus¬
gesprochen worden sein.
Appiau berichtet, Manlins habe einen allgemeinen Schuldenerlaß in
Anregung gebracht; gedenkt aber dabei auch noch eines andern Vor¬
schlags, den Manlins gemacht haben soll, nämlich einen Theil des ge¬
meinen Feldes zu verkaufen und mit dem hierdurch erzielten Erlös die
Gläubiger zu befriedigen. Doch diese Vorschläge blieben Entwürfe,
denn die Patricicr kamen dem Ausbruch der Bewegung zuvor. Der
Dictator Cornelius Cossus, der gegen die Volsker im Felde lag (385),
wurde eiligst nach Rom zurückgcrufen, um die aufrührerische Agitation
zu unterdrücken. Er lud den Manlius durch einen Gerichtsboten vor
seinen Richterstuhl und ließ ihn darauf als Verläumder der Regierung
und Aufwiegler der Plebs ins Gefängniß werfen. Diese Gewaltthat
erregte allgemeine Empörung. Ein großer Theil der Plebs legte Trauer
an, wie um einen Angehörigen; Leidtragende gingen in großer Anzahl
vor der Thüre des Kerkers auf und ab. Mit jedem Tage schwoll die
Gährung; die Haufen, die vor Manlius' Kerker Wache hielten, verlie¬
fen sich selbst bei Nacht nicht mehr; sie drohten, das Gefängniß zu er¬
brechen, den Eingekerkerten mit Gewalt zu befreien. Unter diesen Um¬
stünden hielt es der Senat endlich, zumal da die Dictatur ihr Ende
erreicht hatte, für geratheuer, nachzugeben und den Manlins aus dem
Gefängnisse zu entlassen. Man darf hieraus schließen, daß gegen den
Verhafteten gesetzwidrige oder verbrecherische Handlungen, aus welche hin
eine gerichtliche Verurtheilung zu erwirken gewesen wäre, damals nicht
Vorgelegen haben.
Durch seine Einkerkerung wurde Manlius in eine noch schroffere
und feindseligere Parteistellung gedrängt. Seine Gegner waren viel zu
weit gegangen, als daß das heftige Gemüth des Mannes die erlittene
Schmach hätte vergessen und verzeihen können. Die Zusammenkünfte
in seinem Hause nahmen einen drohenderen Charakter an, und die Lage
seines Hauses ans der Burg machte diese Versammlungen, je zahlreicher
sie besucht wurden, um so gefährlicher.
So kam es endlich zu einer entscheidenden Krise. Im Jahre 384
wurde Manlius von den Volkstribunen M. Menenius und Q. Publi-
lius vor das Volksgericht geladen, und zwar, da die Anklage auf Hoch-
verrath (perckuellio) lautete, also auf Leben und Tod ging, vor das
Gericht der Centurien. Es scheint, daß auch jetzt noch keine bestimmten
Anzeichen entschieden hochverrätherischer Handlungen Vorgelegen haben.