Full text: Neuere Zeit (Teil 3)

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IX, Die Griechen. 
Afrika, Italien und Sicilien eröffnten, in dem durch Vorbild und 
Lehre erziehenden Umgänge mit Weisen und Künstlern wuchs des Cyp- 
selus Sohn Periander auf. Er benutzte die Gunst seiner Stellung, 
um sich eine Bildung von ungewöhnlichem Umfange anzueignen, und 
wußte derselben so sehr das Gepräge seiner Persönlichkeit zu geben, 
daß er selbst unter den Weisen seiner Zeit als Weiser galt. Anderer¬ 
seits vermochte er nicht, die Gefahren einer fürstlichen Jugend zu ver¬ 
meiden. Er hatte zu wenig gelernt, fremde Rechte zu achten. 
Als Periander die durch dreißig Regierungsjahre befestigte Herr¬ 
schaft seines Vaters wie ein rechtmäßiges Erbe antrat, glaubte er sich 
berufen, den Thron der Cypseliden auf dem Boden der neuerungssüch¬ 
tigen Seestadt mit allen Mitteln äußerer Gewalt und argwöhnischer 
Klugheit dauerhaft zu befestigen. Er trennte sich vom Volke, damit 
der Ursprung seiner Macht vergessen werde; auf seiner hohen Burg, 
wo er ungesehen den ganzen Verkehr der Golfe und des Isthmus über¬ 
wachen konnte, saß er von einer starken Leibwache und einem Hofper¬ 
sonale umgeben, das eine Mauer um ihn bildete. Niemand außer ihm 
sollte Macht besitzen; auch keinen Reichthnm wollte er dulden, welcher 
einzelne Bürger mit Selbstvertrauen erfüllen konnte, und scheute sich 
nicht, ihr Vermögen zu außerordentlichen Leistungen in Anspruch zu 
nehmen, um cs auf das gewünschte Mittelmaaß zurückzuführen. Das 
Gehässige eines solchen Verfahrens wurde dadurch gemildert, daß Pe¬ 
riander das Geld nicht für sich behielt, sondern es zu außerordentlichen 
Geschenken für die Götter verwandte. Aus fremde Kosten freigebig, 
machte er sich so bei den Göttern und ihren einflußreichen Priesterschaf- 
ten beliebt, mehrte den Ruhm der Stadt, beschäftigte eine Menge von 
Künstlern und Handwerkern und gewann an Popularität, indem er das 
Geld der Capitalisten unter die kleinen Leute brachte. 
Vierzig Jahre lang hat Periander in Korinth geboten, als ein Mu¬ 
ster fürstlicher Klugheit weithin anerkannt und in auswärtigen Händeln 
zur Vermittelung mehrfach angerufen. Aber der alte Periander war ein 
ganz anderer Mann als der, welcher unter so großen Hoffnungen den 
Thron der Cypseliden bestiegen hatte. Man schrieb die Veränderung 
dem Einflüsse zu, welchen der Verkehr mit anderen Tyrannen und ihr 
ansteckendes Beispiel auf ihn gehabt hatte. Auch wögen Empörungs¬ 
versuche und auswärtige Drohungen dazu beigetragen haben, ihn immer 
mehr zu einem argwöhnischen Despoten zu machen. Endlich war es 
häusliches Unheil, welches mit den schwärzesten Wolken das Haupt des 
alternden Periander umzog und seinen Sinn verfinsterte. 
Sein unmündiger Neffe Psamm etichus vermochte nur wenige Jahre 
das Regiment zu behaupten. Unter spartanischem Einflüsse wurde eine 
dorische Verfassung wieder hergestellt; die vertriebenen Familien kehrten 
zurück. Die ganze Regierung der Cypseliden erschien nun wie eine ge¬ 
waltsame und frevelhafte Unterbrechung der gesetzlichen Verfassung, und 
die jüngeren Geschlechter lernten Periander's Namen wie den eines 
fluchwürdigen Despoten verabscheuen.
	        
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