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Kolonieen getreten. Ihm gehorchten die Handelsstädte Nordafrikas und
die Libyer, von denen ein Teil in nächster Nähe der herrschenden Stadt
mit den Karthagern zu einem Mischvolk, den Liby-Phöniziern, verschmolz,
sodann die phönizischen Pflanzstüdte in Spanien, Korsika, Sardinien, der
Westen Siciliens und Malta. Ihre Bundesgenossen waren meistens'zum
Kriegsdienst nicht verpflichtet, zahlten vielmehr dafür Steuern, so die Stadt
Leptis in Afrika täglich ein Talent. Ihre Heere bestanden aus Libyern,
Spaniern, Balearen und geworbenen Söldnern, die unter dem Kommando
karthagischer Offiziere standen und nur durch die Aussicht auf Beute und
den Feldherrn selbst zusammengehalten wurden.
Die römischen Truppen waren durchaus zuverlässig und opferbereit,
weil sie für ihr Vaterland kämpften, die karthagischen Mietstruppen aber
neigten nicht selten zu Meutereien.
Roms Überlegenheit bestand im Landheere, während der Seedienst
unbeliebt war. Karthagos Stärke zeigte sich in seiner Flotte. Die Ent¬
scheidung wurde aber schließlich nicht durch Seeschlachten, sondern zu Laude
in direkten Angriffen gegen Rom und Karthago herbeigeführt. In Italien
fand das panische Heer zahlreiche Festungen, welche schwer zu erobern waren
und deren Einschließung die feindliche Armee zersplitterte, in Afrika hingegen
war außer der Hauptstadt feine Stadt mit Mauern versehen, da die arg¬
wöhnischen Karthager niemandem trauten. Daher konnten die Römer nach
einem entscheidenden Siege sogleich Karthago selbst angreifen und belagern.
Die Folge davon war, daß sich in Karthago nach einer Landung der Feinde
sogleich die Sehnsucht nach Frieden einstellte, während es römischer Grund¬
satz war, mit keinem Feinde Frieden zu schließen, so lange er auf italischem
Boden stand.
In Rom war seit Beendigung des Ständekampfes jedem Bürger die
Möglichkeit gegeben, die höchsten Ämter zu bekleiden. In Karthago hin¬
gegen lag die Macht in den Händen der reichen Kaufleute und Großgrund¬
besitzer. An der Spitze des Staates standen als die höchsten Beamten zwei
Susseten, welche jährlich neu gewählt wurden. Neben ihnen führte die
Staatsgeschäfte ein Rat von 30 Mitgliedern aus den reichsten Familien.
Alle Beamten aber überwachte argwöhnisch das Kollegium der Huudertuud-
vier oder Hundert, damit der herrschenden Aristokratie die Macht bewahrt
bliebe. Eine Volksversammlung wurde selten berufen. So zeigt sich überall
die Besorgnis der herrschenden Kaufmannschaft, die sich vor ihren eigenen
Beamten, den Führern ihrer Heere und der dichtgedrängten Bevölkerung
ihrer Hauptstadt fürchtete.
SDic Römer waren vorzugsweise Ackerbauer. Die Einfachheit ihrer
Sitten und ihre Genügsamkeit erregten die Bewunderung der Griechen. In
Karthago gebot die Kaufmannschaft über ungeheure Reichtümer, aber mit
ihnen zogen auch Luxus und Sittenlosigkeit in die Stadt. Die zahlreiche