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Der König von Schweden unterhandelte indeß zu Bender mit
dem Sultan, wußte die Minister, welche ihm entgegen waren, zu
entfernen und brachte es dahin, daß die Türken den Russen den
Krieg erklärten. Beide Armeen trafen am 1. Juli 1711 an den
Ufern des Pruth zusammen. Plötzlich sahen sich die Russen von
ungeheuren Schwärmen Türken und Tataren eingeschlossen. Sie
konnten weder vor- noch rückwärts, und alle Lebensmittel waren
ausgegangen. Peter schien dem Untergange nahe. Da half ihm
seine Frau, Katharina 1. oder Kathinka, welche ihn in den Krieg
begleitete. Sie wußte, wie leicht die türkischen Großen sich bestechen
lassen und schickte einen Friedensboten an den Großvezier mit ihrem
Juwelenkästchen und einer guten Summe Geldes ab. Das wirkte.
Die Augen Mehemed's wurden von den glänzenden Steinen so ge-.
blendet, daß er die hoffnungslose Lage der Russen nicht mehr sah,
und mit ihnen so schnell^ einen Frieden schloß, daß Karl ihn zu
hindern nicht mehr im Stande war. Wüthend vor Zorn verließ
Karl ohne Abschied das Zelt des Veziers und verklagte ihn beim
Sultan. Dieser setzte den Vezier ab und verwies ihn; aber der
Friede mit Rußland wurde nicht umgestoßen.
Karls Mühe, den Sultan zu einem neuen Kriege gegen Ru߬
land zu bewegen, war vergeblich. Seine Lage wurde von Tag zu
Tage schwieriger. Zuletzt aber ließ Achmed Karl'n merken, sein
langer Aufenthalt sei ihm lästig, er möchte doch endlich an die Ab¬
reise denken. Aber Karl war so erbittert auf ihn, daß er alle ihm
erwiesene Gastfreundschaft vergaß und gerade ihm zum Aerger bleiben
wollte. Jetzt bekam der Pascha von Bender den Auftrag, den König
zur Abreise zu nöthigen, und falls er sich weigere, ihn tobt oder
lebendig nach Adrianopel zu bringen. Wenig gewohnt, einem frem¬
den Willen zu folgen, und in der Besorgniß, feinen Feinden über¬
liefert zu werden, beschloß Karl, mit 200 Mann, aus denen sein
Gefolge bestand, der Macht der Pforte zu trotzen und sein Schicksal
mit dem Schwerte in der Hand zu erwarten. Die Türken griffen
nun den König von Schweden an; bis auf's Aeußerste vertheidigte
er sich in seinem hölzernen Hause und wich nur Schritt vor Schritt.
Durch 40 Janitscharen, die ihn umringten, hieb er sich bis zur
Hausthür durch. Sieben Stunden lang wehrte er sich. Da gelang
es den Janitscharen endlich, das Haus in Brand zu setzen. Nun
erst entschloß er sich, es zu verlassen. In der einen Hand ein
Pistol, in der andern den Degen, brach er heraus, um sich nach
einem benachbarten Hause zu flüchten, verwickelte sich aber mit den
Sporen und fiel zu Boden. Schnell sprangen die Türken herzu
und ergriffen ihn. Man brachte ihn nun nach einer andern türkischen
Stadt, wo er kürzer gehalten wurde. Dennoch blieb er noch V/s
Jahre. Endlich, nachdem er über fünf Jahre in der Türkei gewesen
war, erklärte er, er wolle abreisen.