Full text: Die deutsche Urzeit (Teil 1)

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§ 15. Der Stnnt. 
1. Die Grundlagen für die Bildung des alldeutschen Tlaales. 
Wer einen Staat kennen lernen und verstehen will, muß die grundlegenden ge¬ 
schichtlichen Tatsachen, seien diese äußere Ereignisse oder Ideen, wissen, 
auf denen er erwachsen ist. Und dieser Grundlagen hat der altdeutsche 
Staat drei: dieGliederung des Volkes in Stämme uni) Sippen, 
das Heer und das Land. 
„Der Staat erwächst überall aus der Familie, und diese stellt schon 
einen Staat im kleinen dar. Indes von einer politischen Verfassung reden 
wir erst, wenn die Familie sich zum Stamm oder Volk erweitert hat, und 
nun erscheint das Volk als die natürlichste Grundlage des 
Staates. Der Staat entsteht zunächst in und mit jedem einzelnen 
Volke, und seine Verfassung wird zu allen Zeiten durch die eigentümliche 
Art und Anlage, das ganze geistige und sittliche Naturell des Volkes wesentlich 
mit bedingt. Solange ein Volk noch keine festen Wohnsitze 
hat, sondern nur wechselnde Jagd-, Fischerei- und Weidegebiete, bleibt 
die Familie und der Stamm die Grundlage seiner Ver¬ 
fassung. Erst bei ackerbautreibenden Völkern, die sich in 
einem bestimmten Gebiet dauernd niedergelassen haben, tritt der Grund¬ 
besitz und das Territorium als zweites wesentliches Ele¬ 
ment hinzu. Sie gliedern sich nicht mehr allein nach Geschlechtern und 
Stämmen, sondern zunächst nach den Abteilungen des Landes, und in 
demselben Maße, in welchem die neuen Verhältnisse festen Bestand ge¬ 
winnen, verliert die Familie allmählich ihre politische Be¬ 
deutung, bis ihr schließlich nur noch eine privatrechtliche übrig- 
bleibt. Damit entsteht der Staat im heutigen Sinne, den wir uns 
nicht anders als mit einem bestimmten Gebiet oder Territorium verknüpft 
denken, so daß wir beide Begriffe, Staat und Staatsgebiet, auch fürein¬ 
ander brauchen. In diesem Übergangsstadium treffen wir die Germanen 
bei ihrem Eintritt in die Geschichte. Sie sind kein Nomadenvolk mehr, aber 
sie sind auch noch kein Ackerbauvolk." (Arnold.) Doch waren die Germanen 
von vornherein ein Volk mit fest ausgeprägtem Charakter; „keine Sache,, 
weder öffentliche noch private, verhandeln sie anders als in Wehr und 
Waffen", sagt Tacitus von ihnen. „Die Germanen waren nicht Nomaden¬ 
völker, die ihre Wohnsitze fortwährend wechselten, sondern wandernde Heere^ 
die sich mit den Waffen in der Hand Wohnsitze suchten, jederzeit zu Angriff 
und Verteidigung gerüstet. Das Heer aber bedurfte einer bestimmten Glie¬ 
derung, einer Ordnung, die durch die Geschlechtsangehörigkeit allein nicht 
hergestellt werden konnte. Das Heer mußte zahlenmäßig eingeteilt werdem 
Sobald nun das Volk als Heer auftrat, war das Geschlecht 
nicht mehr das Entscheidende, sondern die Ordnung des
	        
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