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konnte tatsächlich darauf rechnen, römischer Kaiser
zu sein, eine Würde, die dann doch wieder auf das
innere Zusammenhalten des oft fränkischen Reiches
begründet war." So Ranke (VI, 2, 237). Solange die Teile
Deutschlands einer straffen Königsgewalt untergeordnet waren und
diese machtvoll über sie gebot, so lange konnte der deutsche König
auch Kaiser sein, nicht länger. Ein ohnmächtiges deutsches
Königtum mußte auch das Kaisertum verlieren oder,
wenn es doch danach strebte, über die Nation Elend bringen.
Und nun blicken wir rück- und vorwärts. Auf drei Säulen
ruhte das von Otto begründete Kaisertum: auf der Herrschaft des
Kaisers über den Papst, ans nationaler Gleichgültigkeit der Italiener
und auf einem starken deutschen Königtum über die Teilgewalten.
Wenn aber der Pap st, die Italiener und die deut¬
schen Teilgewalten sich vereinten gegen das Kaiser¬
tum, dann mußte es zusammenbrechen. Wir schauen von
den Siegen Ottos I. in die Niederlagen Heinrichs IV., von Ottos
Kaiserkrönnng zu dem Gang Heinrichs nach Kanossa.
10. Otto und seine Mutter.
Das Verhältnis zwischen Mutter und Sohn war in den ersten
Regierungsjahren des jungen Königs getrübt. Die Königin Mathilde
bevorzugte wohl ihren jüngeren Sohn und begünstigte vielleicht auch
dessen Streben nach der Krone. Von ihrem Wittum verschenkte sie
soviel an Kirchen, Klöster und Bedürftige, daß König Otto eingriff
und solche Freigebigkeit verbot. Dadurch drängte er die Mutter, den
heiligen Schleier der Nonnen zu nehmen; aber Ottos Gemahlin Edith,
dann auch Adelheid wirkten zur Versöhnung. Und je mehr des
Sohnes Ruhm und Größe wuchs, desto inniger erschloß sich ihm das
Herz der Mutter, und ergreifend war das letzte Beisammensein von
Mutter und Sohn, wie es die jüngere Beschreibung des Lebens der
Königin Mathilde darstellt. Sieben Tage waren die beiden zusammen
in Nordhausen. ,,Und die fromme Königin legte gar vieles noch
ihrem Sohne ans Herz (besonders die Fürsorge für das von ihr ge¬
stiftete Kloster Quedlinburg), als ob sie in diesem vergänglichen Leibe
ihn niemals wiedersehen sollte. Mit Anbruch des Tages aber, an
welchem der König abzureisen bestimmt hatte, erhoben sie sich in
der Frühe und führten unter vielen Tränen eine lange Unterredung.
Danach betraten sie die Kirche, um die Messe gemeinschaftlich an¬
zuhören, und obschon die verehrungswürdige Königin heitere Mienen
annehme, so hatte sie im Herzen doch einen großen Schmerz zu
bekämpfen. Als die Meßfeier beendet war, ging sie wiederum ihren