Full text: Das Altertum (Bd. 1)

26 Altertum. 
Persönlichkeiten des Ninus, der Semiramis, des Sardanapal finden frei¬ 
lich auf diesem Bilde keine Stelle; dafür entschädigt der Reichtum an 
Darstellungen einer wirklichen Welt. Das Interesse für die Staatenent¬ 
wicklung am Euphrat und Tigris kann jedoch erst dann recht wirksam 
werden, wenn die großartige civilisatorische Wirksamkeit, welche Assyrien 
unter seinen letzten Königen geübt hat, recht begriffen wird. Die mit 
Keilschrist geschriebenen Urkunden fassen freilich die allgemeine Trag¬ 
weite der erzählten Begebenheiten nicht ins Auge; allein je mehr aus 
denselben der Zusammenhang des Geschehenen erschlossen werden kann, 
um so anziehender muß auch dem denkenden Geiste diese Entwicklung er¬ 
scheinen, welche in der Geschichte der Menschheit ein so wichtiges Glied 
bildet. Schon jetzt läßt sich die mächtige Einwirkung, welche Assyrien 
über Kleinasien auf die griechische Geistesbildung geübt hat, nicht ver¬ 
kennen, und so sehen wir alle abendländische Gesittung mit ihren Wur¬ 
zeln noch bis in die assyrische Geistesentwicklnng hinabreichen. 
Was nun zunächst die Kultur der Assyrier angeht, so giebt über den Ur¬ 
sprung derselben die Bibel-Stelle Gen. 10. 11, wie immer sie erklärt werden 
mag, einen Aufschluß, der durch die neuesten Forschungen lediglich bestätigt 
wird. Assur hat seine gesamte Bildung dem Reiche von Babel zu verdanken 
gehabt. Erst als in Babylonien schon geordnete Staatswesen und große 
Städte vorhanden waren, erhielt Assyrien diejenigen Einrichtungen, welche 
mit festen Wohnsitzen verbunden sind. Indes zeigen die archäologischen 
Reste auch, daß die assyrische Entwicklung ihren selbständigen Weg ge¬ 
gangen ist, der lediglich ans der Beschaffenheit des Landes zu erklären ist. 
In der Baukunst haben die Assyrier in ganz ungewöhnlicher Weise 
praktischen Verstand mit künstlerischem Geschmack zu vereinigen gewußt. 
Schon die Wahl des Materials setzt uns in Erstaunen. Mit Ausnahme 
der Skulpturen aus Alabaster und Basalt findet sich nur dreierlei Ma¬ 
terial in den assyrischen Prachtbauten: roher Thon, gebrannte Ziegel und 
Kalkstein. Nirgendwo haben die Untersuchungen ein anderes Material 
zu Tage fördern können. Dabei treten die angewandten Ziegel und
	        
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