254 Neuere Zeit. 
Geschäfte litt — der Württembergische Gesandte. Herr von Linden, ent¬ 
schuldigte sich wohl in französisch geschriebenen Billets, wenn er wichtige 
Sitzungen über Jagdpartieen versäumte, und ähnliche Züge ließen sich 
viele anführen; — es mag sein, daß übler Wille, kleinlicher Sinn, Frivo¬ 
lität und Armseligkeit jeder Art thätig genug waren, das Werk zu ver¬ 
pfuschen; indes auch der beste Wille und die ernsteste Gesinnung, an 
denen es doch auch nicht fehlte, hätte schwerlich bei der ungeheueren 
Schwierigkeit der Aufgabe mehr zustande gebracht als der Kongreß, wie 
er war, zustande brachte — eine neue äußere Form und Ordnung der 
europäischen Dinge. Dies leistete der Kongreß, mehr nicht. Die andere 
Aufgabe, neben der Unabhängigkeit der Völker auch ihre Freiheit zu gründen, 
wie die überschwänglich Hoffenden verlangten, hat der Kongreß nicht gelöst, 
und es war ein Irrtum, ihre Lösung von ihm, von irgend einem einzelnen 
Mächtigen und Klugen zu erwarten. Denn die Freiheit, welche von 
jetzt an das millionfach wiederholte Stichwort des Jahrhunderts war, 
ist nicht ein einfaches Gut, das von selbst mit gewissen Staatseinrichtungen 
verbunden wäre, und das, wie der Unverstand und die gedankenlose 
Phrase voraussetzt, mit Einführung einer geschriebenen Verfassung, mit 
ausgedehntem Wahl- und Stimmrecht und anderen äußeren Festsetzungen 
von selbst sich einstellte: vielmehr umfaßt der vielumspannende Name vor 
allem eine ganze Reibe sittlicher Eigenschaften und Kräfte, deren Ent¬ 
faltung zwar durch Gewährung oder Versagung gewisser politischen Rechte, 
durch einzelne Gesetze und einzelne Männer erheblich gefördert oder ge¬ 
hemmt werden mag, die aber schließlich doch wie jede Kraft und jede 
Tugend dem einzelnen wie dem Volke nur gewonnen werden kann durch 
lange, schwere und vor allem ehrliche Arbeit. 
XXX. 
Friedrich Wilhelm IV. 
(H. v. Treitschke.) 
Der natürliche, in kräftigen Herrscherhäusern immer wiederkehrende 
Gegensatz von Fürst und Thronfolger bewahrt die beharrende Macht der 
dynastischen Überlieferung vor geistloser Erstarrung; ihm dankt die 
Monarchie die Kraft der Verjüngung. Auf den Höhen des Lebens ist 
kein Amt so freudlos, fo von Versuchungen bedroht, wie die Stellung des 
Kronprinzen in einem mächtigen Staate; nirgends wird der Geist des 
Widerspruchs stärker gereizt, nirgends der notwendige Unterschied der 
Generationen, die einander niemals verstehen können, schmerzlicher
	        
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