fullscreen: Die Ohnmacht des Reiches und der Aufstieg der Hohenzollern (Teil 6)

— 167 — 
hießen „unsere Provinzen" ober „preußische Provinzen", es hieß nun 
die königlichen Regierungen, die Königlich Preußische Armee; des Königs 
Untertanen nannten sich Preußen. Eine der bedeutendsten baldigen 
Wirkungen des neuen Königtums war die, daß der Kaiser am 16. De¬ 
zember 1702 das „Privilegium de non appellando", das ja nach den Be¬ 
stimmungen der Goldenen Bulle ursprünglich nur für die Kurlande galt, 
auf die ganze Monarchie ausdehnte. Von da ab durfte an das Reichs¬ 
kammergericht in Wetzlar nur bei Streitsachen über 2500 Eoldgulden 
Wert appelliert werden. Damit war für die Mehrzahl aller Prozesse 
das Reichskammergericht ausgeschlossen, die Selbständigkeit der preußi¬ 
schen Justizverwaltung begründet. Der König hatte die Justiz- 
Hoheit fast unbegrenzt erlangt. Ein Jahr später, 4. Dezember 1704, 
wurde als oberste einheimische Instanz das Oberappellations¬ 
gericht zu Berlin errichtet. Die Grundlage für eine rein preußische 
Justizgesetzgebung und Justizverwaltung, für das Allgemeine Landrecht 
war gewonnen. 
1. Vergleiche die ftörtigsfrömmg von 1701 mit der Kaiserkrönung Karls des 
Großen: Zwiespalt zwischen Macht und Würde — Bd. II § 39. 
2. Erst die Krönung, dann die Salbung. Vergleiche die Reihenfolge der Hand¬ 
lungen bei der Krönung Ottos, i. 23b. III § 43. Ranke, Neun 
B ü ch er preußischer E e s ch i ch t e I, S. 108: „Daß die Salbung 
nicht vorangeht, sondern nachfolgt, und zwar durch zwei eben hierzu zu 
Bischöfen erhobene Geistliche, drückt eine Unabhängigkeit der weltlichen Macht 
von der geistlichen aus, wie sie vielleicht bei keiner anderen Krönung weder 
früher noch auch später hervorgetreten ist." 
3. L e i b n i z : „Zur Erfüllung des Wesens gehört auch der Name. Ein 
Kömg ist nur der, der auch König heißt." (Bei Ranke, I, S. 109). 
4. Erdmannsdörf f er, I, B 142: „Friedrich I. hatte durch die Kassie¬ 
rung des väterlichen Testaments die Verwaltungseinheit der Monarchie 
vor Schaden behütet; er legte mit dem königlichen Namen ein neues festes 
Emhertsband um alle Provinzen." 
5. Dropsen, Geschichte der Preußischen Politik IV, 1 
S. 156. „Mochte im Reichstage, im Kurkollegium die kurbrandenburgische, 
tm Fürstenrate die magdeburgische, pommersche usw. Stimme aufgerufen 
werden, in der Tat und in den Augen der Welt war es der König von Preußen, 
in dessen Namen sie votierte. Ein Verhältnis, das mit der Natur des Reiches 
vollkommen im Widerspruch gewesen wäre, wenn dasselbe nicht schon längst 
durch die Machtgestaltung des Hauses Oesterreich, durch die Reichsstandschaft 
fremder Kronen, namentlich der schwedischen, durch den Gang der Dinge 
seit 1648 vollkommen zerrüttet gewesen wäre. War das Reich, in zahllose 
Territorien zerlegt, durch jene Verquickungen mit undeutschen Kronen 
und Landen gelähmt, durch den Westfälischen Frieden und dessen Garantie 
auf dre Souveränität jedes kleinen und kleinsten Landes gestellt, außerstande, 
Nch zu emem Staat, zu der Einheit und Kraft eines lebensvollen, politischen 
Gemeinwesens zurückzubilden, so bezeichnete fortan der Name Preußen 
einen solchen Staat innerhalb des Reiches — neben den Reichen und Landen, 
den deutschen und undeutschen, die das Haus Oesterreich besaß, eine nur 
aus deutschen, fast nur aus evangelischen Gebieten bestehende Macht, 
neben der verwitterten Ruine des römischen Kaiser- 
U e 1 n werdendes deutsches Königtum. Und mit 
r • un® tiefer Krone auf das alte Ordensland, jenes „neue Deutsch¬ 
land , rote man es einst genannt hatte, wurden nicht, wie mit dem polnischen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.