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hießen „unsere Provinzen" ober „preußische Provinzen", es hieß nun
die königlichen Regierungen, die Königlich Preußische Armee; des Königs
Untertanen nannten sich Preußen. Eine der bedeutendsten baldigen
Wirkungen des neuen Königtums war die, daß der Kaiser am 16. De¬
zember 1702 das „Privilegium de non appellando", das ja nach den Be¬
stimmungen der Goldenen Bulle ursprünglich nur für die Kurlande galt,
auf die ganze Monarchie ausdehnte. Von da ab durfte an das Reichs¬
kammergericht in Wetzlar nur bei Streitsachen über 2500 Eoldgulden
Wert appelliert werden. Damit war für die Mehrzahl aller Prozesse
das Reichskammergericht ausgeschlossen, die Selbständigkeit der preußi¬
schen Justizverwaltung begründet. Der König hatte die Justiz-
Hoheit fast unbegrenzt erlangt. Ein Jahr später, 4. Dezember 1704,
wurde als oberste einheimische Instanz das Oberappellations¬
gericht zu Berlin errichtet. Die Grundlage für eine rein preußische
Justizgesetzgebung und Justizverwaltung, für das Allgemeine Landrecht
war gewonnen.
1. Vergleiche die ftörtigsfrömmg von 1701 mit der Kaiserkrönung Karls des
Großen: Zwiespalt zwischen Macht und Würde — Bd. II § 39.
2. Erst die Krönung, dann die Salbung. Vergleiche die Reihenfolge der Hand¬
lungen bei der Krönung Ottos, i. 23b. III § 43. Ranke, Neun
B ü ch er preußischer E e s ch i ch t e I, S. 108: „Daß die Salbung
nicht vorangeht, sondern nachfolgt, und zwar durch zwei eben hierzu zu
Bischöfen erhobene Geistliche, drückt eine Unabhängigkeit der weltlichen Macht
von der geistlichen aus, wie sie vielleicht bei keiner anderen Krönung weder
früher noch auch später hervorgetreten ist."
3. L e i b n i z : „Zur Erfüllung des Wesens gehört auch der Name. Ein
Kömg ist nur der, der auch König heißt." (Bei Ranke, I, S. 109).
4. Erdmannsdörf f er, I, B 142: „Friedrich I. hatte durch die Kassie¬
rung des väterlichen Testaments die Verwaltungseinheit der Monarchie
vor Schaden behütet; er legte mit dem königlichen Namen ein neues festes
Emhertsband um alle Provinzen."
5. Dropsen, Geschichte der Preußischen Politik IV, 1
S. 156. „Mochte im Reichstage, im Kurkollegium die kurbrandenburgische,
tm Fürstenrate die magdeburgische, pommersche usw. Stimme aufgerufen
werden, in der Tat und in den Augen der Welt war es der König von Preußen,
in dessen Namen sie votierte. Ein Verhältnis, das mit der Natur des Reiches
vollkommen im Widerspruch gewesen wäre, wenn dasselbe nicht schon längst
durch die Machtgestaltung des Hauses Oesterreich, durch die Reichsstandschaft
fremder Kronen, namentlich der schwedischen, durch den Gang der Dinge
seit 1648 vollkommen zerrüttet gewesen wäre. War das Reich, in zahllose
Territorien zerlegt, durch jene Verquickungen mit undeutschen Kronen
und Landen gelähmt, durch den Westfälischen Frieden und dessen Garantie
auf dre Souveränität jedes kleinen und kleinsten Landes gestellt, außerstande,
Nch zu emem Staat, zu der Einheit und Kraft eines lebensvollen, politischen
Gemeinwesens zurückzubilden, so bezeichnete fortan der Name Preußen
einen solchen Staat innerhalb des Reiches — neben den Reichen und Landen,
den deutschen und undeutschen, die das Haus Oesterreich besaß, eine nur
aus deutschen, fast nur aus evangelischen Gebieten bestehende Macht,
neben der verwitterten Ruine des römischen Kaiser-
U e 1 n werdendes deutsches Königtum. Und mit
r • un® tiefer Krone auf das alte Ordensland, jenes „neue Deutsch¬
land , rote man es einst genannt hatte, wurden nicht, wie mit dem polnischen