Full text: Bis zum Zweiten Pariser Frieden (Teil 2)

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Ein grimmer Leu, ein wilder Stier, 
Die stürzen in die Schranken, 
Begegnen sich mit Kampfbegier, 
Und keiner wollte wanken. 
Jetzt aber faßt des Leuen Zahn 
Den Ur in dem Genicke, 
Und reißt ihn nieder auf den Plan, 
Blut, Feu'r und Wuth im Blicke. 
„Wer ist von euch", — so fragt Pipin 
Und blitzte durch die Reihen — 
„Wer ist von euch so stark und kühn, 
Entreißt die Beut' dem Leuen?" 
Da machen große Augen zwar 
Ringsum die großen Leute; 
Doch jeder bebt vor der Gefahr, 
Und keiner will zum Streite. 
Und wie noch alle schweigend stehn 
Und an dem Kampf verzagen. 
Sieht man Pipin zum Kampfplatz gehn, 
Allein den Kampf zu wagen. 
Er ruft den blut'gcn Löwen an 
Mit donnergleicher Stimme; 
Der stürzt auf ihn mit Wuth heran 
Und brüllt vor wildem Grimme. 
Und alles Volk sicht es mit Graus, 
Pipin nur ohne Grausen; 
Sein gutes Schwert zur Scheid' heraus 
Läßt's durch die Lüfte sausen, 
Und schlägt den Löwen in den Bart, 
Daß todt er niederstürzet. 
Das war ein Schlag nach Heldenart, 
Mit Heldenkraft gewllrzet! 
Nun rafft der wilde Ur sich auf, 
Den neuen Feind er wittert, 
Und rennt heran mit vollem Lauf, 
Daß Schrank' und Boden zittert. 
Doch unser Held steht mauerfest 
Und wankt nicht von der Stelle. 
Das Schwert er wieder sausen läßt 
Und schwingt's mit Blitzesschnelle 
Und trifft den Schnaubenden so gnt, 
Dicht an des Nackens Rande — 
Da spritzt zum Himmel schwarzes Blut, 
Das Haupt stürzt hin zum Sande. 
„Wie nun, ihr großen Recken ihr, 
Was dünkt euch von dem Kleinen? 
Mag nun der Held im Kampfrevier 
Euch groß genug erscheinen?" — 
Es stehn beschämt die Spötter werth, 
Gesenkt die stolzen Blicke; 
Pipin steckt ein sein gutes Schwert, 
Dann tritt er schnell zurücke. 
Des Volkes Jubel aber füllt 
Ringsum die weiten Schranken, 
Empor ihn hebend auf den Schild 
Zeigt ihn der Frank' dem Franken. 
Als König grüßt ihn alle Welt, 
Die Spötter müssen schweigen 
Und ihm, der Leu und Ur gefällt, 
Demüthiglich sich neigen. Baur. 
99. Karl der Große. 
In Aachen, wo manchem deutschen Kaiser die Krone aufs Haupt ge¬ 
setzt wurde, zum Wahrzeichen, daß er der vornehmste Herrscher sei in der 
Christenheit, befindet sich in dem uralten Münster ein schlichter Grabstein, 
darauf die Worte zu lesen sind: Karl der Große. Bei diesem Stein soll 
jedermann, der in die Kirche tritt, des großen Kaisers gedenken, dessen 
Name einst gepriesen und gefürchtet wurde unter Christen und Nichtchristen, 
weil er ein siegreiches Schwert führte und groß und weise regierte. Mehr 
als tausend Jahre sind seitdem verflossen und andere Herrscher haben seit¬ 
dem die Welt mit ihrem Ruhme erfüllt, aber wenige leben wie er im 
Gedächtnisse der Menschen fort. Legen doch auch bürgerliche Einrichtungen 
und kirchliche Ordnungen in deutschen Landen und darüber hinaus lebendiges 
Zeugniß ab von seinem Wirken. — 
Als Karl im Jahre 768 nach dem Tode seines Vaters Pipin zur 
Herrschaft gelangte, hatte im Lande der Franken das Licht des Christen¬ 
thums schon lange die alte Finsterniß verscheucht, in den Städten erhoben
	        
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