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Es gelang mir, ihn zu überzeugen, daß es sich für ihn nicht um
Konservativ oder Liberal in dieser oder jener Schattierung, sondern um
Königliches Regiment oder Parlamentsherrschaft handle, und daß die letztere
unbedingt und auch durch eine Periode der Diktatur abzuwenden sei. Ich
sagte: „In dieser Lage werde ich, selbst wenn Eure Majestät mir Dinge 5
befehlen sollten, die ich nicht für richtig hielte. Ihnen zwar diese meine
Meinung offen entwickeln, aber wenn Sie aus der Ihrigen schließlich be¬
harren, lieber mit dem Könige untergehn, als Eure Majestät im Kampfe
mit der Parlamentsherrschaft im Stiche lassen." Diese Auffassung war
damals durchaus lebendig und maßgebend in mir, weil ich die Negation und 10
die Phrase der damaligen Opposition für politisch verderblich hielt im An¬
gesicht der nationalen Aufgaben Preußens, und weil ich für Wilhelm I. per¬
sönlich so starke Gefühle der Hingebung und Anhänglichkeit hegte, daß mir
der Gedanke, in Gemeinschaft mit ihm zugrunde zu gehn, als ein nach Um¬
stünden natürlicher und sympathischer Abschluß des Lebens erschien. 15
Der König zerriß das Programm und war im Begriff, die Stücke
von der Brücke in die trockne Schlucht im Park zu werfen, als ich daran
erinnerte, daß diese Papiere mit der bekannten Handschrift in sehr unrechte
Hände geraten könnten. Er fand, daß ich Recht hätte, steckte die Stücke in
die Tasche, um sie dem Feuer zu übergeben, und vollzog an demselben Tage 20
meine Ernennung zum Staatsminister und Vorsitzenden des Staatsmini¬
steriums, die am 23. veröffentlicht wurde. Bismarck.
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$)sm 23. Juli fand unter dem Vorsitze des Königs ein Kriegsrat statt, in
^ dem beschlossen werden sollte, ob unter den gebotenen Bedingungen 25
Friede zu machen oder der Krieg fortzusetzen sei. Eine schmerzhafte Krank¬
heit, an der ich litt, machte es notwendig, die Beratung in meinem Zimmer
zu halten. Ich war dabei der einzige Zivilist in Uniform. Ich trug meine
Überzeugung dahin vor, daß auf die österreichischen Bedingungen der Friede
geschlossen werden müsse, blieb aber damit allein; der König trat der mili-30
tärischen Mehrheit bei. Meine Nerven widerstanden den mich Tag und
Nacht ergreifenden Eindrücken nicht; ich stand schweigend auf, ging in mein
anstoßendes Schlafzimmer und wurde dort von einem heftigen Weinkrampf
befallen. Während desselben horte ich, wie im Nebenzimmer der Kriegsrat
aufbrach. Ich machte mich nun an die Arbeit, die Gründe zu Papier zu 35
bringen, die m. E. für den Friedensschluß sprachen, und bat den König,
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