Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an Mittelschulen

— 133 — 
in den neuen Wohnsitzen dem Ackerbau zu. Auch die Stämme, 
welche in der Heimat verblieben, insbesondere die Franken, Ale¬ 
mannen, Bayern, hatten sich längst an seßhaftes Leben und 
mildere Sitten gewöhnt. Die immer noch herrschende Blutrache 
würde allmählich verdrängt durch das Wergeld, eine gesetzlich 
bestimmte Abfindung, welche an den Geschädigten oder dessen 
Angehörige, gewöhnlich in Rindern, entrichtet werden mußte. 
Die freien Männer hatten sich neben ihrem Anteil an der Dorf- 
flur eigenen Grundbesitz erworben, welchen sie nach Bedarf in 
den Wald hinein erweiterten. _ _ _ 
Am frühesten entwickelte sich unter diesen Stämmen der 
fränkische. Er gründete den ersten völlig selbständigen Ger¬ 
manenstaat, den einzigen, welcher die Jahrhunderte überdauerte. 
Die Franken trieben planmäßige Landwirtschaft mit Rind- 
vieh- und Schweinezucht, richteten Falken und Hirsche zur Jagd 
ab, einzelne Gewerbe kamen in Ausnahme, wie Mühlenbetrieb und 
Bearbeitung von Gold und Eisen. Ein wohlerwogenes Gesetz 
schützte Eigentum und Leben. 
Unverkümmert aber blieb der kriegerische Geist. Alljährlich 
im März traten die Freien im Schmuck der Waffen zur Heeres¬ 
versammlung auf dein „Märzfelde" zusammen, um Kriegszug oder 
Frieden zu beschließen. Die Beratung wie den Krieg leitete 
der König,' allen kenntlich an den blonden Locken,' welche niemals 
eine Schere berührte. 
Seit dem dritten Jahrhundert hatten sich die Franken am 
Niederrhein ausgebreitet und im Katalanischen Feld au der 
Seite der Westgoten und Burgunder nicht unrühmlich gerechten. 
Von ihren beiden bedeutendsten Stämmen wohnten die Salier 
von der Maas bis zur Somme, die Ripuarier oder User¬ 
franken am Unterrhein. Doornik und Köln waren die Hauptstädte. 
Der Begründer des Frankenreiches war Chlodwig, der . 
wenig Jahre' nach dem Untergange des weströmischen Reiches 
bei den' Saliern zur Herrschaft kam; ein Manu voll Kraft und 
großer Entwürfe, aber auch voll tückischer Rachsucht und Grausam¬ 
keit. Ein Kriegsmann zerschlug ihm böswillig eine Urne aus der 
Kriegsbeute, welche dem heiligen Remigius in Rheims für seine 
Kirche zugedacht war: der König sollte nichts haben, als was 
nach' dem Lose sein Recht sei. Chlodwig verhehlte seine Wut; 
aber bei der Heerschau des nächsten Märzseldes spaltete er dem 
Unglücklichen den Kopf mit der Streitaxt: „So thatest du mit 
dem Kruge von Soissons." ., . 
Chlodwig unterwarf den letzten Rest des Römerreiches: 
das Land, das von der Somme über die Leine bis zur Loire 
reichte. Dann trat er den Alemannen entgegen, welche sich eben-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.