prangende Tempel der Artemis (Diana), der unter die sieben
Weltwunder gezählt wurde.
Diese griechischen Gemeinden vermochten freilich ihre Unab¬
hängigkeit gegen den König Kroifos nicht zu wahren, dessen
Reich, Lydien, ostwärts bis zum Halysstrome reichte. Aber
Krösus war ihnen ein wohlwollender Gebieter, denn er wußte
den hellenischen Geist zu schätzen.
So empfing er den athenischen Staatsmann Solon freund¬
lich an seinem Hofe zu Sardes. Er ließ ihn durch seine
Schatzkammern führen und fragte ihn dann, ob er einen Menschen
lernte, der ganz glücklich sei. Unbefangen nannte der Weise den
Athener Tellos, dessen Leben im Kreise wackerer und gesunder
Kinder und Enkel verflossen und in siegreicher Schlacht für sein
glückliches Vaterland zu neidenswertem Ende gelangt sei. Auf
Krösus' weitere Frage wies er die zweite Stufe des Glückes dem
argeischen Brüderpaare Kleobis und Biton zu: in den großen
Festspielen mit Preisen gekrönt, spannten sie sich selbst vor den
Wagen, auf welchem ihre Mutter am Herafeste zu dem 45 Stadien
(1 Stadion — 200 Meter) entfernten Tempel der Göttin fuhr.
Da flehte die Frau in mütterlichem Stolze ihre Göttin an, den
Jünglingen zn gewähren, was für den Menschen das Beste sei.
Nach dem Abendschmause legten sich beide im Tempel nieder, um
nicht mehr aufzustehen, ein Beweis, fügte Solou hinzu, daß dem
Menschen der Tod besser ist als das Leben. — Der König ver¬
hehlte seinen Unmut nicht, daß sein Gast ihn selbst in seinem
Purpnrgewande voll Goldes und funkelnder Edelsteine nicht glück¬
lich nennen wollte. Da sprach Solon: „O König, bedenke, wie
lang das Leben ist und wie viel des Wechsels die Tage bringen!
Niemand darf glücklich heißen, ehe die Gottheit ihm auch ein
gutes Ende beschert hat. Bei jedem Dinge soll man auf das
Ende schauen." Ungnädig entließ ihn Krösus.
Damals begründete im Innern Asiens König Kyros das
persische Weltreich. Krösus gedachte einem Angriffe dieses KriegS-
mannes zuvorzukommen. Er sendete dem delphischen Orakel
einen Löwen von lauterem Gold und fragte, ob er Eyrns an¬
greifen solle. Die Antwort der Pythia klang verheißungsvoll
genug: „Wenn du über deu Halys gehst, wirst du ein großes
Reich zerstören."
_ Frohen Mutes zog der Lyder zu Feld. Eine blutige
Schlacht jenseits des Halys blieb ohne Entscheidung. Krösus
zog heim, um seine Rüstungen zn erneuern; für den Winter
entließ er sein Heer. Unvermutet erschien Eyrns, sein eigener
Bote, vor Sardes. In einer letzten Schlacht fochten die Lyder
trotz ihrer Verweichlichung nicht ohne Nu hm, aber ohne Erfolg.