Eben damals hatle die Stadt Solons beim Heere von Byzanz
zwei Feldherren, an denen kein Flecken haftete: Aristides,
welchen Freund und Feind den Gerechten nannte, und MiltiadeS'
'cohii Kimon, dessen Herzensgute das ganze Volk erfuhr;
denn er kleidete die Armen und lud die Hungrigen an seinen
Tisch; der reiche Obstsegeu seiner Gärteu war jedermann zugäng¬
lich. Beide Männer begründeten ein Bündnis Athens mit den In¬
seln des Archipels, Aristides vereinbarte mit denselben die Höhe
ihres Beitrages zur Bnndeskasse, deren Sitz die heilige Apollon-
Insel Delos sein sollte.
Athen stand an der Spitze Griechenlands. Zetzt erst ent¬
falteten seine Bürger in Handel uud Gewerbe, in Kunst und
Wissenschaft ihre reichen Kräfte. Im Mittelpunkte dieses Auf¬
schwunges stand der große Staatsmann Perikles.
Wie Solon stammte er aus einein der angesehensten Ge¬
schlechter; sein Vater Tanthippos hatte die Athener bei Mykale
befehligt. Im frühen Umgang mit Künstlern und Gelehrten
eignete er sich eine würdevolle Haltung an und die Kraft, in
allen Lagen seine Seelenruhe zu wahren. Zuerst zeichnete er
sich im Felde aus durch Mut und Besonnenheit. In der Volks¬
versammlung stieß^er anfänglich auf Mißtrauen, weil sich ältere
Leute durch die Schönheit seiner Gestalt, seine Stimme und
Vortragsweise an den Tyrannen Pisistratus erinnert fühlten.
Daher redete er nur selten, aber immer ruhig und klar und
ohne das lebendige Geberdenspiel, durch welches andere Redner
die Aufmerksamkeit des Volkes zu fesseln suchten; niemals bestieg
er die Rednerbühne, ohne im stillen die Götter anzurufen, daß
kein unpassendes Wort ihm entschlüpfen möge. Und nie hatte
ein Redner daS Volk beherrscht wie er, der „Olympier", der
Blitz nnd Donnerkeil im Munde zu führen schien. Schmeichelei
und andere Künste verschmähend, wußte er durch Belehrung
auf seine Zuhörer zu wirken, aber auch kraftvoll sie zu meistern,
wenn sie in Verblendung seinen hohen Gedanken widerstrebten.
Den Eindruck seiner Persönlichkeit erhöhte die allgemeine Über¬
zeugung von seiner Vaterlandsliebe und seiner Uneigennützigkeit.
Rie hat er sich bereichern mögen. Zwar vermied er unnötige
Ausgaben und ließ sein Vermögen durch einen Irenen Sklaven
sorgsam verwalten; aber im rechten Angenblicke gab er mit
vollen Händen unb hinterließ nicht mehr Vermögen, als er von
seinem Vater geerbt hatte.
Ein Tyrann wollte er nicht sein; Athen blieb frei, so lang
er es beriet. Es war, wie der große Geschichtschreiber Thukv-
bides sagt, dem Namen nach eine Demokratie, in Wahrheit die
Monarchie des besten Mannes.