Contents: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

98 V. Die Reformation in Westfalen. 
den Münsteranern volle Religionsfreiheit zu gewähren und den 
Wiedertäufern sechs Pfarrkirchen zur Benutzung zu überlassen. 
d. Die falschen Propheten. Auch in Holland hatten sich die 
Wiedertäufer stark verbreitet. Von dort kamen 1534 die Leiter der 
holländischen SeÜe, der „Prophet" Jan Matthyfen von Aeyden, 
seines Zeichens ein Bäcker, mit einem seiner zwölf „Apostel", Jan 
Bockelsobn. Sie fanden in Münster bereitwillig Aufnahme. 
Besonders der angesehene Knipperdolling nahm sie in seinen Schutz. 
Die beiden Niederländer rissen alles durch ihre Beredsamkeit hin. 
Die Prophezeiungen von der herrlichen Zeit des Tausendjährigen 
Reiches zogen das ungebildete Volk, das eine bessere Zeit herbei¬ 
sehnte, ganz in den Bann der falschen Propheten. Innerhalb acht 
Tagen ließen sich 1400 Personen wiedertaufen. Rottmanns Bered¬ 
samkeit mit ihrer unwiderstehlichen Gewalt über die Gemüter 
unterstützte sie dabei. Ihre Anhänger mehrten sich mit jedem Tage. 
In gleichem Maße stieg ihr blinder Glaubenseifer. „Des Abends 
erschienen sie auf den Straßen, zuweilen nackt, und riefen: ,Tnet 
Buße, denn das Himmelreich ist nahe!' Sie hatten Erscheinungen 
am Himmel, sie sahen Reiter mit blankem Schwert auf weißen 
Rossen, Männer mit goldenen Kronen auf den Häuptern. Schneider¬ 
und Schlossergesellen standen auf und predigten, junge Mädchen 
riefen Wehe! über die Gottlosen. Überhaupt waren es vielfad) 
die Frauen, auch aus den höchsten Ständen, die, von der Schwär¬ 
merei angesteckt, den Wiedertäufern zuliefen." 
e. Kämpfe in der Stadt. Bald hatten die Fremden in der 
Stadt die Oberhand. Kirchen und Klöster wurden zerstört. Da 
ermannte sich der Rat mit den nicht wiedergetauften Bürgern, die 
sich noch bedeutend in der Mehrzahl befanden, gegen die auf¬ 
rührerische Menge. Sie befestigten die Mauern und Tore und 
ließen den Fürstbischof mit den bischöflichen Truppen und 2—3000 
Bauern in die Stadt. Zu größeren Kämpfen kam es aber nicht, 
sondern die beiden Parteien schlossen einen Vergleich, in dem fest¬ 
gesetzt wurde, daß jeder in seinem Glauben bleiben dürse, aber auch 
in weltlichen Dingen der Obrigkeit Gehorsam leisten solle. Die 
Führer der Wiedertäufer wußten durch ihre Predigten den ge¬ 
funkenen Mut und die Begeisterung ihrer Anhänger wieder zu 
entflammen, vor allem zogen sie zur Verstärkung alle verborgenen 
Anhänger aus den Nachbarstädten heran. Ihre Zahl und Macht 
wuchs wieder schnell. Sie bemächtigten sich der Tore und besetzten 
sie mit Anhängern. Bei einer neuen Ratswahl gewannen sie die 
Oberhand, der ganze Magistrat wurde aus Wiedertäufern zusammen¬ 
gesetzt, und Knipperdolling wurde Bürgermeister. Am 27. Februar 
1534, als ein entsetzliches Wetter tobte, kamen die Wiedertäufer 
bewaffnet auf dem Rathause zusammen. 
(Sitte Weile lagen sie betend auf den Knien, und ließ sich 
-«Ttter ihnen so wenig ein Laut hören wie in der Kirche, wenn das 
stille Vaterunser gebetet wird. Auf einen ihrer Propheten schien ein
	        
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