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§ 74. Die Bereinigten Staaten von Amerika.
der Festlandsküste. Da aber hier kein Gold und Silber lockte, achteten
die europäischen Völker aus diese Gegenden lange Zeit gar nicht. \ Fast
hundert Jahre später, als Elisabeth aus dem englischen Throne sah,
gründete man die der „jungfräulichen" Königin zu Ehren genannte Nieder¬
lassung Virginien, aus der später Maryland [marilaniD] und
Carolina ausgeschieden wurden. Bis 1640 entstanden nacheinander
die Kolonien: Massachusetts ^mässätschüßets^ New-Hampshire
[nju hdmfchtr], Connecticut [fonnettifat], Rhode-Jsland [rod
eilänb]. Ganz anders waren die Verhältnisse dieser Niederlassungen als die
der spanischen und portugiesischen in Süd- und Mittelamerika. Die eng¬
lischen Kolonisten fanden unwirtbare, bewaldete Küstenländer vor, von
einem kriegerischen und wilden Volke bewohnt. Diese mehr gelblich als
rötlich braunen Indianer von Nordamerika zerfielen in eine große Anzahl
von Stämmen. Jagd und Fischerei war der Männer Handwerk; der
Weiber Los ein schwerer Dienst. Krieg war unter den Stämmen fast be¬
ständig und wurde listig und grausam geführt. Wilde Kriegstänze kün¬
digten ihn an; die Farben der tätowierten Haut wurden glänzender und
schreckhafter aufgetragen, mit entsetzlichem Geheul stürzte man sich aus¬
einander. Hatte der Wilde den Feind mit der steinernen Streitaxt, dem
Tomahawk, getötet, so skalpierte er ihn, „mit dem Messer, scharf
geschliffen, das vom Feindeskopf rasch mit drei geschickten Griffen schälte
Haut und Schopf', und befestigte bett Skalp am Gürtel. Schrecklich war
das Schicksal derjenigen Kriegsgefangenen, welche am Marterpfahl zu
Tode gepeinigt wurden; und doch fangen sie — von Kindesbeinen her an
ein würdiges, lautloses Ertragen von Schmerzen gewöhnt — unter der
ausgesuchtesten Qual einen mutigen, der Feinde spottenden Totengesang.
Zum Zeichen geschlossenen Friedens wurde der Tomahawk begraben, und
unter den Streitenden die Friedenspfeife geraucht. Diese Pfeife ging auch
in den Versammlungen der Häuptlinge am Beratungsfeuer von Mund zu
Munde, und eine ganz eigentümlich kräftige, in erhabener Bildersprache
kühn sich bewegende Rede stand jenen Söhnen der Natur zu Gebote. Auch
in ihren Religionsbegriffen war etwas Großes und Einfaches. Sie ver¬
ehrten einen großen Geist als den Beschützer aller Tapferen und Guten,
sie glaubten an ein glückliches Leben im Jenseits: „wo mit Vögeln alle
Sträucher, wo der Wald voll Wild, wo mit Fischen alle Teiche lustig sind
gefüllt." Dies frei in seinen ungeheuren Wäldern umherziehende Geschlecht
der Rothäute sah nun mit Erstaunen die „bleichen Gesichter" über den
„Großen Salzsee" kommen. Für die Gaben einer ihnen fremden Welt, be¬
sonders für das berauschende Feuerwasser verkauften sie ihnen Striche an
der Küste, welche von Kolonisten nun gegen den oft wechselnden, immer