Rußland.
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Kleinrussen und den Weißrussen, im S.W. des Reichs. Die Groß-
rnssen \ die den Kern und die Mehrzahl der Russen bilden, sind ein kräftiger,
wohlgebauter und blondhaariger Menschenschlag von natürlicher Anmut und
Leichtigkeit der Bewegung. Der Großrusse ist kein eigentlicher Ackerbauer, ob-
wohl er vorzugsweise als solcher leben muß, lieber zieht er als Handelsmann
umher, wandert leichten Sinnes nach Sibirien ans und pilgert im langen
Winter iu die großen Städte, wo er gern den Hausknecht (Dwornik) abgibt.
Er bildet sich leicht zum tüchtigen Fabrikarbeiter aus, der für kärglichen Lohn
arbeitet, oder treibt Hausindustrie, und zwar fertigt gewöhnlich ein ganzes
Dorf diese, ein anderes jene Ware. Die Aufhebung der Leibeigenschaft (1861)
ist zwar von großer sittlicher Bedeutung gewesen, hat aber die ländlichen
Übelstände nicht heben können. Der Boden ist Gemeindeland, es fehlt an
eigenem Grundbesitz und darum au der Liebe zur Scholle. Der Kleinrusse
ist nicht klein, sondern von höherem Wuchs als der Großrusse; er ist schlauk
und zierlich, hat dunkles Haar und ein freundliches, weiches Gemüt. Er
ist langsam in seinen Bewegungen, aber reinlicher als der Großrusse. Der
Weißrusse ist gutmütig, friedlich und arbeitsam, hat flachsblondes Haar und
gilt als tölpelhaft und trunksüchtig. Die Kosaken sind ein durch lange Ge-
wöhnnng an militärische Übungen besonders entwickelter Stamm großrussischen
Ursprungs.
2) Litauer (gegeu 4 Mill.), ein deu Slawen verwandter Volksstamm, mit
ihren Verwandten, den Letten und Kuren, im Gebiet der Düna, des Njemen,
iu ganz Kurland und in der s. Hälfte von Livland. Zu ihnen gehörten die
alten Preußen.
3) Germanen (1,5 Mill.). Dentfche (über 1 Mill.) vorzugsweise iu
den Städteu der Ostsee-Provinzen, sowie auch iu zahlreichen Siedlungen
nm Sarätow an der Wolga und in Süd-Rußland. Schweden (über | Mill.)
in den Städten Finnlands, geringenteils auch in Estland.
4) Rumänen (1 Mill.), besonders in Bessarabien uud am Asöwschen Meere.
5) Griechen, am Asöwschen Meere und auf der Krim.
B. Von dm asiatischen Ariern Zigeuner (gegen 30000) und Armenier.
C. Von dem semitischen Zweige der mittelländischen Rasse leben
zerstreut, besonders im Bereiche des ehemaligen polnischen Reiches und in
S.W.-Rnßland, die Juden (über 5 Mill.), die hier Handel und Verkehr
vermitteln, während sie unter den handelskundigen Großrussen nicht auf-
kommen können.
D. Zu den mongolenartigen Völkern gehören:
1) Finnische Völker (über 4 Mill.): a. baltische Finnen, b. Wolga-
Finnen, c. nordische Finnen, mit den Samojeden in den Tundren und
den Syrjäuen au der mittleren Petschöra.
2) Türkische Völker (über 3 Mill.): die Kirgisen in den kaspischen
Steppen, die Tataren der kaukasischen Steppen und der Krim, sowie ein
Teil der Kosakeu.
3) Kalmüken (etwa 100000), vom Kuie der Wolga an stromabwärts. Sie
gehören zu den eigentlichen Mongolen.
4) Baschkiren (über 1 Mill.), ein Gemisch von tatarisch-sinnischen Bestandteilen,
im Berglande des s. Urals. Sie kommen ans Aussterben, da ihnen die Möglich-
keit des Nomadenlebens durch Verschleuderung ihrer Ländereien genommen ist.
1 Die Benennung rührt nicht von der Körpergröße her, sondern von der Volkszahl.