Full text: Abriß der Allgemeinen Erdkunde, Erdkundliches Lesebuch (H. 4)

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II. Erdkundliches Lesebuch. 
Der Fuhrmann hält die Deichsel und gebraucht alle seine Kräfte zum 
Hemmen und Lenken. Solche Flächen sind bis 15 m lang. 
Ich suchte an dem Schutte vergeblich nach Gletscherspuren: auch 
am härtesten Gestein waren keine Kritzen bemerkbar. Die Wasser in dem 
Talweg fließen anfangs südlich, dann erreicht die Straße eine Wasser- 
scheide, ungefähr 40 m über Tai-ngan, und nun bleibt das Gefälle 
nördlich. Schon ehe man den Gneisboden verläßt, erweitert sich das 
Tal, der Boden wird fruchtbarer, die Ortschaften sind größer und zahl- 
reicher, das Betteln ist zu Ende. Das Tal wendet sich nach Norden. 
Links besteht das Gebirge sortdauernd aus kristallinen, rechts aus 
Sediment-Formationen; die Grenze ist ganz scharf. Der landschaftliche 
Charakter ist dadurch außerordentlich pittoresk, und wäre ich Aquarellmaler, 
so würden sich mir hier Gegenstände zu schönen Darstellungen bieten, 
nan-fil In Tsi-nan-fu angelangt, bekam ich ein leidlich gutes Quartier mit 
April, einem besonderen Hofraum, der neugieriges Volk abhält. Die Wohnung 
ist mitten in der Stadt an einer belebten Straße. Merkwürdig ist die 
geringe Breite der Straßen, in Anbetracht daß Tsi-nan-fu das Zentrum 
eines bedeutenden Handels und Verkehrs ist, der auf Karren, Packtieren, 
Schiebkarren und Scheiisis* geschieht. Schon gestern bei unserer Einfahrt 
mußten wir mehrmals lange anhalten, um den vor uns aufgestauten 
Strom ablaufen zu lassen. Zwei Strömungen von Fahrzeugen neben- 
einander sind unmöglich, daher müssen die nach einer Richtung ziehenden 
an bestimmten Stellen anhalten, um den Gegenzug passieren zu lassen. 
Da alle Bewegungen in langsamem Tempo vor sich gehen, so erscheinen 
die Straßen sehr lebhaft. Kaufläden mit den verschiedensten Waren, die 
zur Schau gestellt sind, und langen Aushängeschildern drängen sich zu 
beiden Seiten und wechseln mit Restaurants, Garküchen, Teehäusern, 
Werkstätten usw. Die Straßen sind mit großen Steinen gepflastert, die 
Häuser sind niedrig, der Anblick einförmig wie in den meisten chinesischen 
Städten. Wie Peking ist auch diese Stadt reich an großen Bäumen, die 
beim Überblick einer größeren Strecke wohltätig ins Auge fallen. Die 
innere Stadt ist durch eine zweite Mauer von den Borstädten geschieden. 
Nachdem ich durch längere Zeit fast nur die Physiognomie der Land- 
bevölkerung gesehen hatte, fiel es mir hier auf. eine große Anzahl echt 
südchinesischer Gesichter zu sehen. Der Kaufmannsstand vornehmlich ist 
ein anderer Menschenschlag als der Tagearbeiter und Landbewohner. 
Diese haben etwas, was wir als mongolisch oder tartarisch bezeichnen 
1 Tragstühle.
	        
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