Full text: Abriß der Allgemeinen Erdkunde, Erdkundliches Lesebuch (H. 4)

Berichte von Lntdeckungs- und Forschungsreisen, s. Serdinand V. Richthofen. 
Ich machte eineil Abstecher nach den Kohlenfeldern von Putsüen. Die 12. April. 
Franziskaner von Tsi-nan-fu haben dort einen Schacht. Der größte Betrieb 
ist gegenwärtig 3 H westlich. Ein Versnch, die dortigen Verhältnisse zn 
untersuchen, schlug vollständig fehl. Schon mehrfach habe ich die Er- 
fahrung gemacht, daß Fremde dort am schlimmsten daran sind, wo viele 
Arbeiter zusammen sind. Hier trafen wir eine größere Zahl als an irgend 
einem früher besuchten Orte. Kaum waren wir bei den Gruben erschienen, 
so umringten uns in dichtem Knäuel weit über tausend Arbeiter. Sie 
streckten die Hälse, die hinteren drängten auf die vorderen, und diese lagen 
in der Tat aus uns. Mit Mühe bewegten wir uns von der Stelle nach 
einem Verwaltungshaus, wo wir Informationen erwarteten. Aber die 
Menschenmenge drängte nach, und mehr und mehr wurden gewaltsam durch 
die Tür in das Haus gepreßt, so daß wir Gefahr liefen, Gewalt brauchen 
zu müssen, um nicht buchstäblich in dem kleinen Raum erdrückt zu werden. 
Wir mußten das Haus wieder verlassen und bewegten uns als Zentrum 
des Knäuels langsam von der Stelle. Es war wahrhaft schmerzvoll, am 
Boden Pflanzenabdrücke liegen zu sehen und nicht einmal die Hand danach 
ausstrecken zu können. Denn schon warnten uns zwei oder drei Ver- 
nünftige, die sich uns als Freunde zugesellt hatten, daß Gefahr drohe, 
und zogen uns an den Röcken fort, da jede Minute Verzögerung die bis 
dahin unschnldige Aufregung zum lauten Toben und zu Gewalttätigkeiten 
steigern konnte. Es blieb nichts übrig, als ihnen zu folgen, mit uns die 
immer lauter werdende Menge. So kamen wir im benachbarten Dorf an, 
wo unsere Freunde uns plötzlich in ein großes Portal zogen. Die Menge 
drängte nach, aber nur wenige waren eingedrungen, als es mit Anstrengung 
gelang, die festen Tore zu schließen und zu verriegeln. Draußen tobte die 
Menge fort und versuchte, die Tore zu erbrechen, aber vergebens, und nach 
und nach verzog sich der größere Teil. Wir befanden uns in der Residenz 
eines reichen Grubeneigentümers, der uns sehr artig behandelte. 
Bis Tschang-schan folgten wir heute der Straße nach Tschifu; von 13. April, 
dort gingen wir südlich ab, um im Siau-fu-Tal aufwärts nach Po-schan 
zu gehen. Die erste Strecke Weges ist interessant. Ostlich von Tschang- 
schan-hsien erhebt sich mitten aus der Ebene ein großes verzweigtes Ge- 
birge mit starren Gipfeln zu 600 m Höhe. Der höchste Gipfel wird hier 
der Tschang-schan genannt. Die Berge find felsig und wild, mit schroffen 
Graten und steinigen Abhängen, obwohl kühne Felsformen fehlen. Nach- 
dem die Straße den Ostfuß des Tschang-schan verlassen hat, betritt sie eine 
weite Verebenung, in der mehrere Kreisstädte gelegen sind. Schon diese 
Anhäufung großer Städte und die Kleinheit der Verwaltungsdistrikte be- 
9*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.