15. Zum Gipfel des Kibo,
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waldigen Lassohügelzug beschränkt wird, von dessen Höhe aus wir*), von Modschi
kommend, der ersten Überschau über dieses gelobte Land teilhaftig geworden waren.
Bergauf zum oberen Kilimandscharo solgt den Lassohügeln das Auge, bis es im nebel-
durchwehten Urwald uud der darüberliegenden dunkelgrauen Wolkenhülle auch dort
eine Grenze findet.
Der Zeiger des Aneroidbarometers senkte sich zu immer tieferen Luftdruckzahlen
uud wies auf ca. 1700 in, als wir nach dreistündiger Wanderung die letzten Bananen-
Pflanzungen hinter uns ließen, um in das nun beginnende Dickicht von Farnen und
Sträuchern einzudringen, welches weiter oben allmählich in den Urwald überführt.
Wie im Jahr 1887, so versnchte auch diesmal wieder der Marangnführer, uns
zum Lagern an diesem für die Verpflegung der Leute sehr bequem gelegenen Platz
zu bestimmen, obwohl es noch ziemlich früh am Tage war; aber wie damals, so trieb
ich nach kurzer Rast auch diesmal wieder zum Weitermarsch, um das erste Lager am
Unterrand des Urwaldes aufzuschlagen. Nach großem Geschrei und vergeblichem
Herumtanzen folgte uns der Führer.
Der Pfad war von nun ab vollständig verwachsen und verursachte den müden
Trägern schwere Mühe. Mehrere splitternackte Marangnlente begegneten uns,
keuchend unter riesengroßen Bunden von gesammeltem Brennholz, und erzählten uus
erregt, daß sie in nächster Nähe eine Begegnung mit vier Elefanten gehabt hätten.
Wir wurden der Tiere jedoch nicht ansichtig, weil wir unsere schärfste Aufmerksamkeit
dem Erdboden zu widmen hatten, wo uns die zahlreichen, unter einer Farnendecke
versteckten und bis zu 6 m tiefen Fanggruben für Elefanten ernstlich gefährdeten. Ich
selbst entging nur mit knapper Not dem verderblichen Sturz in die morastige Tiefe.
Die Busch- und Farnenzone unterhalb des Urwaldes hat schwerlich etwas
mit den klimatischen Verhältnissen dieser Bergregion zu tun. Diese Vegetations-
sormation scheint vielmehr das Ergebnis der periodischen Brände zu sein, durch welche
die Wadschagga offenes Land für ihre sich ausdehnenden Kulturen zu gewinnen suchen.
Es spricht für diese Annahme, daß da, wo solche Kulturenbrände nicht angelegt werden,
der Urwald bergabwärts mit abnehmender Feuchtigkeit allmählich lichter wird und
mehr und mehr Vertreter der Steppenflora in sich aufnimmt, bis er von der reinen
Baumsteppe ganz verdrängt ist. Auch in der Farnenzone ist echte Urwaldflora mit
Steppenflora vielfach vergesellschaftet. Soweit die Farnenzone in die Höhe reicht,
soweit wird auch die breitere Bananenkultur möglich sein; darüber hinaus setzt die
große und beständige Feuchtigkeit des Waldes, der ja gerade den reichen und an-
dauernden Niederschlägen dieser Höhenzone sein Dasein verdankt, der Feuerwirkung
und damit der Anlage tropischer Kulturen eine Grenze, wenn eine solche nicht schon
durch das Klima dieser Höhe gezogen wäre, was sehr wahrscheinlich ist.
Unsere Ansstiegroute vom Jahr 1887 lag ein gutes Stück westlicher als die jetzige.
Aber auch diesmal traten wir bei 1960 m in den unteren Urwald ein, der uns seine
Vorläufer in Gestalt vereinzelter moos- und flechtenbehangener und Verwetterter
Baumgreise schon weithin entgegengesandt hatte. Hier wurde unser Psädchen, so-
bald das Farnendickicht aushörte, osfener und führte uns in kurzem zwischen den
triefenden graugrünen Baumriesen hindurch auf eine kleine, hochgrasige Kampine
am Rande des plätschernden, von Kraut und Stauden überwucherten Rnabächleins,
wo ich unser erstes Berglager aufschlagen ließ.
i) Hans Meyer war von dem ausgezeichneten Bergsteiger Ludwig Purtscheller be-
gleitet. [H.]