Full text: Erdkundliches Lesebuch für die Oberstufe höherer Lehranstalten und Seminare

30 
A. Zur Allgemeinen Erdkunde. 
ersichtlichen Einfluß auf die Temperatur hat, und wir müssen annehmen, daß ander- 
weite Einflüsse wohl imstande sind, die unleugbare Wirkung des höheren Sonnen- 
standes aufzuheben. 
Ein fernerer großer Unterschied zwischen der gemäßigten und heißen Zone 
besteht in der direkten wärmenden Kraft der Sonnenstrahlen unabhängig von der 
Sonnenhöhe. In unseren Breiten behelligt uns die Mittagssonne im Juni nur 
selten durch Erhitzen der Haut; in den Tropen dagegen wird fast zu jeder Stunde 
des Tages, bei einer Sonnenhöhe von 40 bis 50°, die Haut eiues Europäers, wenn 
sie nur wenige Minuten den Sonnenstrahlen ausgesetzt ist, rot, schmerzhaft, oft mit 
Brandblasen bedeckt und schält sich danach ab. Fast jeder Reisende in Tropeugegen- 
den leidet unter den Folgen unvorsichtiger Entblößung des Halses, der Gliedmaßen usw. 
bei Sonuenschein, der dort eine ebenso unerwartete wie für den ersten Augenblick 
unerklärliche, von gar keiner außergewöhnlichen Zuuahme der Luftwärme begleitete 
Kraft besitzt. 
Diese ganz verschiedene Wirkuug einer und derselben Menge von Sonnenwärme, 
die der Erde in verschiedenen Breiten zugeführt wird, hat vielerlei Ursachen. Die 
wichtigsten derselben sind wohl die gleichförmig hohe Temperatur des Bodens und 
der oberflächlichen Schichten des Meeres, — die große Menge von Wasserdampf in 
der Luft, — die große Ausdehnung der Tropengegend, in welcher die Luftströmungen, 
die den Äquator erreichen, beständig erwärmt werden, — endlich die latente Wärme, 
welche bei der Bildung von Tau und Regen frei wird. Wir wollen kurz die Art und 
Weise in Betracht ziehen, in welcher jede dieser Ursachen zu der Höhe uud Gleich- 
förmigkeit der Temperatur des Äquatorialgürtels beiträgt. 
Einfluß der Wärme des Bodens. — Es ist allgemein bekannt, daß schon 
in geringer Tiefe der Erdboden eine gleichförmige Temperatur während des Tages- 
lanfes beibehält, daß in etwas größerer Tiefe auch die Jahresschwankungen sich ver- 
lieren, und eine gleichmäßige Temperatur, fast genau der mittleren Wärme des Ortes 
gleich, sich das ganze Jahr hindurch behauptet. Je größer die Schwankungen, desto 
größer diese Tiefe; daher ist sie in der Nähe vom Äqnator am geringsten und inner- 
halb des Polarkreises, wo die größten Unterschiede zwischen Sommer und Winter 
obwalten, am beträchtlichsten. Am Äquator, wo die Jahresdifferenzen so gering 
sind, wie es z. B. für Batavia ermittelt ist, erreicht man die konstante mittlere Tem- 
peratnr von etwa 26° C schon bei 4 bis 5 Fuß Tiefe. Der Mehrbetrag von Wärme, 
den der Boden während des Tages erhält, wird daher sehr langsam in die Tiefe ge- 
leitet; die Oberfläche wird stark überhitzt und gibt einen großen Teil ihrer Wärme 
zur Nachtzeit wieder aus. So erhält sich die hohe Temperatur der Luft zu der Zeit, 
wo keine Erwärmung durch die Sonne stattfindet. In der gemäßigten Zone liegt 
die gleichmäßig warme Erdschicht tief, in Genf z. B. mindestens 30 bis 40 Fuß, in 
England und Norddeutschland wohl 50 bis 60 Fuß. Die Temperatur in dieser Tiefe 
ist ferner um etwa 20° niedriger als am Äquator. Die große Masse kühlen Erdreichs 
absorbiert einen bedeutenden Teil der sommerlichen Wärme und leitet dieselbe ver- 
hältnismäßig rasch nach abwärts, uud erst spät im Jahre — im Juli uud August — 
habeu die oberen Bodenschichten genug überschüssige Wärme angehäuft, um zur 
Nachtzeit eiue Wärmeausstrahlung zu veranlassen, die in Abwesenheit der Sonne 
eine höhere Temperatur der Lust erhält. Diese Ausstrahlung findet am Äquator 
jahraus, jahreiu statt, und so wird die Erdwärme zu einer der bedeutendsten Ursachen 
der gleichförmig hohen Temperatur.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.