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4. Besuch bei österreichischen Bauern.*) 
Die Bauern von Nieder- und Oberösterreich haben von allen Bauern 
der österreichischen Monarchie ohne Zweifel die höchste Stufe von Wohl¬ 
befinden und Freiheit erreicht. Der Landmann in Galizien, Böhmen und 
Ungarn ist, im Ganzen genommen, noch leibeigen, und der Bewohner der 
Alpenprovinzen Steiermark, Tyrol u. s. w. ist arm. Strich- und stellen¬ 
weise ist freilich der Landbau in allen diesen Ländern in besserem Zustande 
und der Bauer freier und wohlhabender. 
Die Hanna in Mähren ist berühmt, die Zips in Ungarn, das Sach¬ 
senland in Siebenbürgen, das Egerthal in Böhmen und viele reiche Thäler 
in den Alpen machen bemerkenswerthe Ausnahmen. Auch dürfte man in 
allen den anderen bezeichneten Strichen der Monarchie nicht alle Bauern 
so schlechtweg als Sclaven verachten oder bedauern und müßte dabei noch 
manche, mildernde Ausnahmen begründende Umstände erwägen. — Summa 
summarum aber bleibt es nichtsdestoweniger doch ausgemacht, daß der 
österreichische Donaubauer alle anderen, sowohl in Bezug auf Bildung, 
Solidität des Charakters, feste Begründung und Anerkennung feiner Men¬ 
schenrechte, als auch in Bezug aus den Betrieb der Landwirthschaft und 
seine Wohlhabenheit bei Weitem übertrifft. 
Zu den reichsten und berühmtesten unter diesen Bauern gehören die 
in der Gegend des Klosters St. Florian. Einige von ihnen sind sogar so 
ausgezeichnet, daß sie schon mehr als einmal ihre Kaiser bei sich empfangen 
haben, und einer von diesen ist der vielgenannte „Meier in der Tann'". 
An dem heutigen schönen Sommertage stand ihnen indeß nur der Besuch 
eines gewöhnlichen Reisenden bevor. Durch schöne Waldungen, über üppige 
Wiesen, zwischen gut bestellten Aeckern und Obstgärten wanderte ich auf 
schmalen Fußpfaden zu dem Gehöfte dieses reichen Mannes, ein kleiner 
Wegweiser vom Kloster mir voran. 
Die Florianer und überhaupt die österreichischen Bauern, die von ob 
der Enns jedoch mehr als die von unter der Enns, wohnen häufiger in 
einzelnen, isolirten Gehöften, um die sich dann ihr Landsitz arrondirt, als 
in Dörfern. Sie nennen das „Einschichten" oder „einschichtige Höfe". 
Vielleicht mag diese auch in Westphalen und anderen Gegenden Deutsch¬ 
lands übliche Weise hier zunächst, wie die Bevölkerung selbst, aus Bayern 
gekommen sein, wo man auch in einigen Donaugegenden von einschich¬ 
tigen Höfen spricht, die man dann weiterhin in Bayern selbst „Einöden" 
nennt. ^ 
Die Bauern haben alle einen doppelten Namen, erstlich einen Fa¬ 
miliennamen, der auf alle ihre Kinder forterbt, und dann einen Namen als 
Besitzer des Gehöftes, der bloß auf ihre Nachfolger übergeht. Die letzteren 
;) I. G. Kohl.
	        
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