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2. Das Riesengebirge.
Der Name „Riesengebirge" kommt nur einem kleinen Theile jener
großen Gebirgskette zu, die sich in nordwestlicher Richtung über dreißig
Meilen weit, von den Quellen der Oder und dem Fuße der Karpathen
bis über die Quellen der lausitzer Neiße unter mancherlei Abwechselungen
ihrer Höhe und Breite ausdehnt und die in geographischen Handbüchern
und Reisebeschreibungen das sudetische Gebirge oder die Sudeten
genannt wird. Der Theil dieser Kette, der im eigentlichen und engern
Sinne das „Riesengebirge" heißt, erstreckt sich von 33° bis 33° 30' östl.
L. von Ferro, und von 50° 35' bis 50° 55' nördl. Br. und hat in
dieser Ausdehnung, abweichend vom Laufe der Hauptgebirgskette, eine
mehr westnordwestliche Richtung.
An die gegen 5000 Fuß (genauer 4933 Fuß = 1548,22 Meter)
hohe Riesen- oder Schneekoppe reihen sich in kleinem Räume so viel
beträchtliche Höhen — Sturmhaube (4316 Fuß = 1354,57 Meter), Sturm¬
koppe (4488 Fuß — 1408,5 Meter), hohes Rad (4636 Fuß = L455
Meter), Reifträger (4162 Fuß — 1306,Meter), Brunnenberg (4788
Fuß == 1502,71 Meter) u, a. —, daß schon in Beziehung auf die nie-
deren Theile des Sudetenzuges und gegenüber den deutschen Mittel-
gebirgen der Name gerechtfertigt erscheint. Möglich immerhin, daß ihm
auch ein alter Mythus zu Grunde liegt, nach welchem in grauer Vorzeit
die geheimnißvollen Höhen von Göttern und Riesengeistern bewohnt
waren; in jedem Falle aber findet der Name „Riesengebirge" seine nahe-
liegende natürliche Begründung in der Großartigkeit des Bildes, in
welchem der mächtige Gebirgszug auf der schleichen Seite, besonders
vom Hirschberger Thale aus gesehen, dem Auge des Beschauers sich
darstellt.
Vergleicht man die Bergketten, welche Deutschland vom Rhein bis
nahe an die Oder und von den Alpen bis an die norddeutsche Tiefebene
durchschneiden, mit dem Riesengebirge, so ergiebt sich, daß dieses nach
Form und Größe und Umriß unter ihnen eben so sich auszeichnet, wie
es selber wiederum von den Alpen übertroffen wird, und so gewisser-
maßen eine Mittelstellung als subalpinisches Hochgebirge einnimmt. Das
Riesengebirge hat freilich nicht die malerischen Kegelformen, wodurch sich
die oft viel weniger hohen Trappengebirge so vieler Gegenden unseres
Welttheils und namentlich die der Länder am Rhein und der Elbe so
vortheilhaft auszeichnen; noch weniger prangt es mit den himmelanragen-
*) Das Riesengebirge und seine Bewohner, von Dr. K. Hofer, herausgeg. von
der Gesellschaft des vaterl. Museums in Böhmen, Prag 1841. Neue Beiträge von
Lehrer Hansel in Hirschberg.
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