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Verständigkeit, praktischer Tüchtigkeit, unbestechlichen Rechtsgefühls und
Freiheitssinnes gleichsam concentrirt. Der Königsberger Weise, Immanuel
Kant, welcher die Philosophie wieder zu Ehren brachte, indem er sie von
leeren Hirngespinsten zur Untersuchung und Prüfung des Thatsächlichen
führte und mit aller Strenge zugleich die sittliche Würde des Menschen
in's rechte Licht stellte durch seine Lehre vom kategorischen Imperativ,
d. h. vom unbedingten Gehorsam, den wir dem Pflichtgebot schuldig
sind — er war ein Königsberger Kind und der reinste und klarste Aus-
druck des Geistes, der die preußische Monarchie erhoben, groß und tüch-
tig gemacht hat.
Dieser preußisch-deutsche Geist war schon im Großmeister des deut-
scheu Ritterordens, Albrecht von Brandenburg, lebendig. Seit 1457
hatten die Großmeister Königsberg zu ihrer Residenz gemacht, waren
aber in Lehensabhängigkeit vom Königreich Polen gerathen und als Re-
genten eines katholischen Ordensstaates standen sie zugleich unter dem
römischen Papst. Jener Albrecht, aus einer Seitenlinie des Kurhauses
Brandenburg, begriff die neue Zeit, die mit der Reformation Luthers
für Deutschland angebrochen war: er wurde evangelisch-lutherisch und
verwandelte das Ordensland Preußen in ein weltliches Herzogthum, mit
Bewilligung seines polnischen Lehnsherrn. Das geschah im Jahre 1525.
Vergebens protestirten die Ordensritter. Die Reformation verbreitete
sich so schnell in Preußen, daß Luther in freudiger Anerkennung an
seinen Freund Spalatin schrieb: „Siehe dies Wunder! In vollem Lauf
und mit vollen Segeln eilet jetzt das Evangelium nach Preußen\" Ein
neues frisches Leben und geistiges Streben war in die Gemächer ge-
kommen; um dasselbe auf wissenschaftlicher Grundlage zu festigen, grün-
bete Herzog Albrecht die nach ihm benannte Universität, 1544.
Hand in Hand mit dem geistigen Leben ging der Aufschwung Königs-
bergs als Handelsstadt, trotz der Nebenbuhlerschaft Danzigs, der Haupt-
stadt von Westpreußen, die mit Neid auf ihre jüngere Schwester im
Osten blickte. In frühester Zeit hatte Danzig allen Seeverkehr der Ost-
see an sich gezogen; seine Lage an der Mündung der Weichsel war um
so vortheilhafter, als sich nach Osten eine lange Dünenkette (die frische
Nehrung) bis an die vorspringende Küste von Samland zog, die keinen
Hafenort hatte. Die lange Düne der „frischen Nehrung" war anfäng-
lich stark bewaldet, der Wald hielt den Sand zusammen und so blieb
das „frische Haff" geschlossen. Als die Entwaldung Fortschritte machte,
erhielt auch der Dünensand seine Beweglichkeit wieder, die Nehrung zer-
riß — da, wo jetzt Pillau liegt — das frische Haff war wieder dem Meere
geöffnet und Königsberg erhielt freien Zugang der Seeschiffe. So konnte
es sich zur Seestadt entwickeln und es blieb ihm die Handelsblüthe, als
es aufhörte, die Residenz der Herzoge von Preußen zu sein.
Als nämlich im Jahre 1618 die Albertinische Linie ausstarb, fiel
das Herzogthum Preußen an die Hauptlinie der Hohenzollern, nämlich