Full text: Charakterbilder deutschen Landes und Lebens für Schule und Haus (Theil 3)

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räum von 700 Hektaren einnimmt, nahezu 2 Meilen im Umfange und 
320,000 Einwohner hat. 
Sie liegt in flacher, überall offener Gegend an beiden Seiten des 
Pregel, dessen rechtes User, wo die Hauptmasse der Stadt gelegen, sich 
aber der Art emporhebt, daß viele Straßen abschüssig erscheinen und 
mit einiger Sorgfalt sogar sieben Hügel gezählt werden können, wes- 
halb man denn Königsberg auch wohl eine Siebenhügelstadt genannt 
und mit Rom in humoristische Parallele gesetzt hat. Aber ein nicht zu 
unterschätzender Vorzug der Lage bleibt eine solche hügelartige Erhebung in 
einer Tiefebene. Wer sich der Stadt vom Westen her nähert, vor dessen 
Blick steigt imposant genug ihre Häusermasse terrassenartig auf und in 
gewaltigen Dimensionen ragt fast in der Mitte das altersgraue Schloß 
mit seinem hohen gothischen Thurme empor. 
Der Pregel, obwohl er nur ein Küstenfluß ist, hat doch ansehnliche 
Wasserfülle und ist ein viel mächtigerer Strom, als etwa die Nürnberger 
Pegnitz und Leipziger Pleiße. Schon bevor er die Stadt erreicht, giebt 
der alte Pregel einen Arm ab, der an den südlichen Vorstädten vorüber- 
zieht; in der Stadt vereinigen sich der alte und neue Pregel und um- 
schließen nebst zwei Verbindungsarmen die Insel Kneiphos, „die Stadt 
der Kaufleute." Sie trägt in ihrer Mitte das neue Bankgebäude, dem 
alten Dome gegenüber, welcher im Jahr 1322 vom Großmeister Lothar 
von Braunschweig aufgeführt wurde. 
Altstadt („die Stadt der Handwerker") und Löbenicht („die Stadt 
der Brauer") liegen auf dem ansteigenden nördlichen Ufer; sie haben 
enge, abschüssige Straßen mit hohen alterthümlichen Häusern. Doch hat 
die neue Zeit sich auch hier Bahn gebrochen, Raum und Licht geschafft. 
Ein jetzt mit schattigen Bäumen und anmuthigem Buschwerk bedeckter 
Platz trug einst die altstädtische Kirche, an die ein polirter Granit- 
Würfel erinnert. Wir eilen zu dem ernst und düster sich erhebenden 
königlichen Schloß, die ehemalige Ordensritterburg, von welcher jedoch 
nur der Nordflügel ein Rest ist, denn die anderen Theile wurden im 
16. Jahrhundert neu gebaut. Einzelne Nachbesserungen haben dem 
Ganzen nicht eben eine vortheilhafte Gestalt gegeben und so scheint ein 
abermaliger Umbau im Renaissance-Styl beschlossen zu sein. Nicht ohne 
lebhafte Erregung unserer patriotischen Gefühle betreten wir die Schloß- 
kirche im Westflügel, in. welcher der erste König Friedrich und 160 Jahre 
später unser Kaiser-König Wilhelm I. sich die Königskrone auf's Haupt 
setzte. An den Wänden hängen große, eng beschriebene Gedächtnißtafeln; 
sie enthalten die Namen der 1813, 1866 und 1870/7 L für das Vaterland 
in den Tod gegangenen Söhne der Provinz, deren Blut in Strömen 
geflossen ist. Königsberg stellte die ersten freiwilligen Jäger, als ersten 
den Sohn seines Bürgermeisters Heidemann; die Provinz Preußen war 
die Wiege der preußischen Landwehr. Ueber der Kirche dehnt sich in rie- 
sigen Dimensionen (83 Meter lang, 18 Meter breit!) der Moscowiter-Saal,
	        
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