Object: Zweites Lesebuch für die Mittelstufe (Teil 4, [Schülerband])

3. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! 
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„Und du, Edmund?" fragte der Vater. Unbefangen und offen ant¬ 
wortete Edmund: „Ich habe meinen Pfirsich dem Sohne unsers Nachbars, 
dem kranken Georg, der das Fieber hat, gebracht. Er wollte ihn nicht 
nehmen. Da habe ich ihm denselben auf das Bett gelegt lind bin hin¬ 
weggegangen." 
„Nun," sagte der Vater, „wer hat denn wohl den besten Gebranch 
von seinem Pfirsich gemacht?" 
Da riefen sie alle drei: „Das hat Bruder Edmund gethan!" 
Edmund aber schwieg still. Und die Mutter umarmte ihn mit einer 
Thräne im dluge. Friede. Adolf Ärummachcr. 
Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 
51. Oie Oiirdc. 
Einen steilen Waldweg hinaus trug keuchend ein armer, alter Mann 
ein schweres Gepäck. „Gott, ach Gott!" seufzte er, „ist denn weit und breit 
keine mitleidige Seele, die mir meine Last tragen Hilst!" — „Hier ist sie!" 
rief hinter seinem Rücken eine ihm unbekannte, freundliche Stimme. Be¬ 
troffen sah der Alte sich um und erblickte einen schönen, blondlockigen 
Jüngling, dessen freundliches Aussehen ihm sogleich Vertrauen einflößte. 
„O, freundlicher, junger Mann," sagte der Alte, „du kommst mir wie 
ein Engel Gottes vom Himmel. Um meinen armen Enkelchen, die ich 
ernähren muß, weil Vater und Mutter tot sind, ein Stückchen Brot zu 
verdienen, habe ich dieses Gepäck in die nächste Stadt zu tragen über¬ 
nommen. Wie ich zu spät merke, übersteigt die Last meine Kräfte. Dürfte 
ich dich bitten, einen Teil davon auf deine jungen, kräftigen Schultern zu 
übernehmen?" — „Vor allem laß uns ausruhen, lieber Alter!" versetzte 
der Jüngling, „und dann noch einmal versuchen, was deine eignen 
Schultern vermögen." Und hierauf hob er die Bürde von dem Rücken 
des Alten, ließ sich mit ihm im Schatten einer bejahrten Eiche nieder 
und zog ein Stück nahrhaften Brotes nebst einer Flasche stärkenden 
Getränkes hervor. „Iß nun und trink, Väterchen!" sprach er und 
reichte ihm beides hin. Mit zitternder Begierde griff der Alte danach 
und verzehrte es mit Heißhunger, während der Jüngling sich mit ihm in 
freundlichen Gesprächen unterhielt. 
„Auf nun, daß wir die Stadt erreichen, ehe die Sonne sich neigt!" 
sprach endlich der Jüngling und erhob sich zuerst von dem moosigen 
Sitze. Wehmütig blickte der Greis auf seine Bürde und bittend in die 
blauen Augen seines Begleiters. Er glaubte in diesen die Gewährung
	        
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