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mehr zu trennen, vor ihr nicht aufstanden, wobei noch Hagen Siegfrieds
Schwert über seine Knie legte.
Kriemhild bot nun große Schätze allen, die gegen die Burgunden
kämpfen wollten. Zuerst ließ sich Etzels Bruder Blödelin dazu bewegen,
der mit den Hunnen die Knechte in den Herbergen überfiel: sie wurden
nach tapferer Gegenwehr alle erschlagen, Btödelin aber wurde von Dank-
wart getödtet, der sich hindurchschlug und, mit Blut beronneu, in den Saal
kam, wo Etzel mit seinen Gästen au der Tafel saß. Da sprang Hagen
auf und schlug dem kleinen Sohne Etzels das Haupt ab, dann schlug er
den Spielleuten Werbel und Swemmelin die Hände ab, weil sie die
Einladung überbracht hätten; nun entstand im Saale ein allgemeiner Kampf,
bis Dietrich von Bern für sich und die Seinen freien Abzug begehrte:
unter seinem Schutze verließen auch Etzel und Kriemhild den Saal.
Darauf entbrannte der Kampf wieder und ruhte nicht eher, als bis
die Hunnen im Saale sämmtlich erschlagen waren. Kriemhild trieb aber
andere Dienstmannen zum Kampfe gegen die Burgunden, und Abends ließ
sie Feuer an das Gebäude legen, sodaß die Burgunden sich an die steinernen
Wände stellen und mit den Schilden gegen die herabfallenden brennenden
Balken schützen mußten. Am Morgen begann der Kampf anfs neue; auch
Rüdiger, der nicht gegen die Gäste kämpfen wollte, die er selbst au den
Hof geleitet hatte, mußte gegen sie streiten; er und Gernot erschlugen sich
gegenseitig.
Nun ließen sich auch Dietrichs Leute trotz seines Verbots zum Kampfe
verleiten, und da Dietrichs alter Waffenmeister Hildebraud sah, daß er
sie nicht zurückhalten könne, stellte er sich au die Spitze. Dietrichs Mannen
wurden alle erschlagen, Hildebrand selbst entkam nur mit einer Wunde;
aber von den Burgunden lebten nur noch Günther und Hagen. Als
Dietrich Hildebrands Wunde sah, rief er nach seinen Leuten, hörte aber
zu seinem Schmerze, daß Hildebrand allein noch übrig sei; er rüstete sich nun
zum Kampfe und überwand und band zuerst Hagen, dann auch Günther,
die Helden waren zu sehr ermattet; er führte beide zu Kriemhild und em¬
pfahl sie ihrer Gnade. Kriemhild trat zuerst zu Hagen und fragte, ob
er jetzt sagen wolle, wo der Schatz im Rheine verborgen sei. Hagen er¬
widerte: „Ich habe geschworen, den Ort nicht zu verrathen, so lange Günther
lebt." Da schlug Kriemhild ihrem Bruder das Haupt ab und trug es zu
Hagen, der aber rief: „Den Schatz weiß nun niemand, als Gott und ich
allein; er soll dir bösem Weibe immer wohl verhohlen sein!" Als sie nun
auch Hagen das Haupt abschlug, sprang der alte Hildebraud zornig hinzu
und todtete sie mit einem Streiche seines Schwertes; König Etzel aber be¬
klagte all' die gefallenen Helden. Schone.
22. Kindesdank.
Ein Fürst traf aus einem Spazierritte einen fleißigen und frohen Land¬
mann bei dem Ackergeschäfte an und ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein.
Nach einigen Fragen erfuhr er, daß der Acker nicht sein Eigenthum sei,
sondern daß er als Tagelöhner um zwölf Groschen arbeite. Der Fürst,
der für sein schweres Regierungsgeschäft freilich mehr Geld brauchte und zu