Full text: Das Deutsche Reich, Kulturgeographie, Allgemeine Erdkunde (Teil 3)

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geschah es, daß in wenig Jahrzehnten auch die polnischen Landstriche sich 
an die Ordnung des neuen Lebens gewöhnten, und daß Westpreußen in 
den Kriegen seit 1806 sich fast ebenso preußisch bewährte wie die alten 
Provinzen. Gust. Freytag. 
40. Der Sturm auf die Vastille. 
Die Vastille ward im 14. Jahrhundert am Tore des heiligen 
Antonius erbaut, um die unruhigen Pariser im Zaume zu halten. Sie 
war bis zum Beginn der Französischen Revolution ein altes Schloß mit 
acht finstern Türmen, aus deren Schießscharten die Kanonen drohend 
auf die Hauptstädter blickten; über den tiefen Graben führten zwei Zug¬ 
brücken nebeneinander, eine für Wagen, eine für Fußgänger, in das 
dunkle Tor; dann das Wohnhaus des Gouverneurs, noch eine solche 
Doppel-Zugbrücke, und man stand in der Festung. Ihr Dasein war den 
Parisern von jeher ein Greuel. Die Geschichten von den dort schmach¬ 
tenden Opfern willkürlicher Verhaftung erbten sich durch Generationen 
fort. Kein Wunder darum, daß in den unruhigen Julitagen des Jahres 
1789 auch der Gedanke erörtert ward die Vastille zu erobern. In einer 
gewissen Vorahnung hatte seinerseits der Gouverneur, Herr de Launay, 
die Festungswerke ausbessern und eiligst große Pulvervorräte aus dem 
Arsenal herbeischaffen lassen; aber die Besatzung blieb die alte, 32 
Schweizer und 80 französische Invaliden; ihr Mundvorrat bestand aus 
zwei Säcken Mehl und etwas Reis. 
Am frühen Morgen des 14. Juli überfiel ein bewaffneter Volks¬ 
haufe das Hotel der Invaliden und erbeutete, ohne auf Widerstand zu 
stoßen, 28 000 Flinten nebst 20 Kanonen; dazu spürten sie auf der 
Seine ein Schiff mit 5000 Pfund Pulver auf. War der Handstreich 
mit dem Jnvalidenhause so über alle Erwartung leicht gelungen, warum 
es nicht auch mit der Vastille versuchen? 
Wie gern wäre die revolutionäre Regierung auf dem Stadthause, 
welche ernstlich Erhaltung der Ruhe wünschte, dem zuvorgekommen! 
Sie schickte frühmorgens zu dem Gouverneur der Bastille und bat ihn, 
die Kanonen, deren Anblick das Volk nur erbittere, zurückziehen zu lassen. 
Kaum war dies geschehen, so wurden vom Stadthaus, als die Gefahr 
drohender ward, die Menschenmasse sich häufte, noch zwei Deputationen 
geschickt, um feindselige Handlungen zu verhindern, allein bis zur Vastille 
ist nicht mehr durchzudringen, und hinter dem Rücken der Deputierten
	        
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