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von Trier, Köln und Mainz mussten 1068 und 70 in
Rom erscheinen, um sich wegen Simonie zu verant¬
worten, und seit 1071 bekam die päpstliche Partei auch in
Deutschland ihre Organisation in den von dem Hirsauer Abt
Wilhelm teils reformierten, teils neu gegründeten Klöstern des
westlichen Schwabens. Auch dogmatisch nahm die hochkirch¬
liche Partei Stellung in dem zwischen Berengar von Tours und
Lanfrank ausgebrochenen Abendmahlsstreit, der 1079 mit dem
erzwungenen Widerruf Berengars, des Gegners der Transsubstan-
tiationslehre, seinen Abschluss fand.
Nach Alexanders II. Tod wurde durch eine tumultuarische,
nachträglich von den Kardinälen bestätigte Wahl Hildebrand als
Gregor VII. (1073—85) zum Papst erhoben.
Hildebrand, um 1025 im tuskischen Saöna geboren, von niederer
bürgerlicher Abkunft, begleitete den abgesetzten Gregor VI. nach Deutschland.
Sein Mönchtom wird neuerdings bestritten; wahrscheinlich war er Mönch, aber
von den äusseren Pflichten des mönchischen Lebens entbunden. Nach längerem
Aufenthalt in Köln und AVorms, wo er mit dem pseudoisidorischen Kirchen¬
recht genauer bekannt wurde, ging er mit Leo IX. nach Rom zurück und wurde
1050 Subdiakon. Er war Mitglied der Gesandtschaften, die Viktors II. Er¬
hebung und die Anerkennung Stephans IX. durch die Kaiserin-Mutter Agnes
herbeiführten; nach Stephans Tod bewirkte er, dem von der römischen Adels¬
partei aufgestellten Benedikt X. gegenüber, die Wahl Nikolaus’ II., dem er
zum Sieg verhalf. 1059 wurde er (Archi-)Diakon. Nach Nikolaus’ II. Tode
ermöglichte er durch normannische Hilfe die Erhebung Alexanders II., unter
dem er, jetzt auch Kanzler, einen massgebenden Einfluss ausübte. Er war
hochbegabt, jedoch kein gelehrter Theologe, von starkem Willen und Mute,
persönlich sittenrein und einfach ; in der Verfechtung seiner Anschauungen und
Ziele leidenschaftlich, entbehrte er nicht selten des wahren Gleichmasses und
eindringender Menschenkenntnis ; er war von alttestamentlichen Anschauungen
und Beispielen stark beeinflusst und überhaupt eine kriegerische Natur, sehr
geneigt, für die Durchführung seiner Zwecke das „Schwert des heiligen Petrus
aus der Scheide zu ziehen“.
Papst Gregor betrachtete sich als Diener des himmlischen Petrus, dessen
Bedeutung und Wirksamkeit er möglichst gross auffasste, aber auch als den
irdischen Petrus; wer ihn beleidigt, beleidigt Petrus, und durch ihn spricht und
richtet Petrus; das imperium (das „weltliche Schwert“, gladius corporalis
oder materialis) steht nach Ursprung und Würde weit unter dem sacerdotium
(dem geistlichen Schwert, gladius spiritualis), und die Staatsobrigkeiten sind
berufen, dem Papst, als dem Inhaber der höchsten geistlichen Gewalt, sich
durchaus unterzuordnen; die Christen haben dem Papst auch dann zu ge¬
horchen, wenn die Staatsgewalt abweichende Gebote oder Verbote erlässt;
was der Papst befiehlt und anordnet, ist Gerechtigkeit, wer dem widerstrebt,
ist ungerecht. Die Strafmittel dieser „Hier okratie“ gegen wider¬
strebende weltliche Gewalten sind der Bann, der nach mittelalterlicher An¬
schauung den Betroffenen vom weiteren menschlichen Verkehr ausschloss, und
das Interdikt (mit dem Gregor Frankreich bedrohte), die Suspension und Depo¬
sition, die Entbindung vom Unterthaneneid und schliesslich kriegerisches Ein¬
schreiten (mit dem Gregor mittelbar Castilien und Frankreich bedrohte).
Die Uebergriffe der Normannen unter Robert Guiskard und
das Uebergewicht, das in der Lombardei die Gegner der Pataria