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binanb und JsaLella an, als sie den doppelten Thron bestiegen — an
Mulei-Abul-Hazen, welcher damals über Granada herrschte, einen
Abgeordneten, um den Tribut einzufordern, zu dem sich einst ein maurischer
König nach dem Fall der Almohaden verstanden hatte. „Sagt eurem
Herrn," antwortete mit Stolz der greise Abul-Hazen, „daß Die, welche den
Tribut bezahlten, schon langst gestorben sind, und daß man in Granada nur
noch Lanzen und Sabel verfertigt." Infolge dieser Verweigerung entstand
seit 1481 ein Krieg auf Leben und Tod, der erst nach 11 Jahren mit der
Einnahme von Granada und der Vernichtung der maurischen Herrschaft in
Spanien überhaupt endigte. Einen solchen Ausgang beförderten die Zwiste,
welche unter den Mauren selbst und in der königlichen Familie herrschten.
Eine der Frauen Abul-Hazen's, Zoraya, verlor seine Gunst und beschloß
sich dafür zu rächen. Sie war Mutter eines jungen Prinzen, Namens
Boabdil, den sie zum Werkzeug ihrer Rache erwählte. Als Abul-Hazen
eines Tages seine Hauptstadt verlassen hatte, um die Spanier zu bekämpfen,
bemächtigte sich Boabdil mit einem Haufen gedungener Empörer der könig¬
lichen Paläste und Schätze, und Abul-Hazen fand bei seiner Rückkehr die
Thore der Stadt verschlossen und den Boabdil im Besitz der Alhambra.
Der Schmerz des alten Vaters über den Verrath seines Sohnes war groß;
aber auch er hatte noch zahlreiche Anhänger in Granada und öffnete sich
mit Gewalt den Eingang in die Stadt. Mehrere Tage wurde zwischen
Vater und Sohn in den Straßen Granada's blutig, aber ohne Entscheidung
gekämpft. Da trat ein alter, durch seine Weisheit und seine Tugenden
ausgezeichneter Imam aus, warf sich zwischen die Kämpfenden und schlug
ihnen vor, einen neuen König zu wählen, den stolzen und tapfern Bruder
Abul-Hazen's, Abu-Abdallah-Al-Zagal, der mit dem Titel eines
Mali in Malaga residirte. Dies geschah auch von einem großen Theile
der Bevölkerung; der kriegerische Al-Zagal zog in die Alhambra ein und
Abul-Hazen begab sich mit seinen Weibern, Kindern und Schätzen in die
Einsamkeit einer entfernten Stadt, wo er einige Monate später starb.
Während so die Zwietracht unter den Mauren herrschte und ihre Kräfte
lähmte, ließen Ferdinand und Jsabella ein furchtbares Heer gegen Granada
anrücken, bemächtigten sich nach und nach aller festen maurischen Städte und
schlossen zuletzt die Hauptstadt ein. Al-Zagal, von seinem Neffen Boabdil
und den Christen zugleich gedrängt, warf sich in die Arme dieser Letztern,
die er für seine edlern Feinde hielt. Als er aber seiner Zusage gemäß noch
seine letzten Festungen den Castilianern ausliefern sollte, um als Preis seiner
Unterwerfung einige Domänen und leere Ehrentitel zu empfangen, schiffte
er sich, um das traurige Schicksal seiner Glaubensgenossen nicht länger mit
ansehen zu müssen, mit allen seinen Schätzen nach Afrika ein. Jetzt blieb
nur noch Boabdil zu bekämpfen übrig, der schon vor seines Onkels Unter¬
werfung den Spaniern die Schlüssel von Granada insgeheim versprochen
hatte. Vergebens übersandte er den beiden katholischen Majestäten die kost¬
barsten Zeuge und die prachtvollsten Pferde zu Geschenken: Granada allein
konnte die Spanier zufriedenstellen. So mußte sich denn Boabdil zu einem
letzten entscheidenden Kampfe rüsten. König Ferdinand selbst war zur Bela¬
gerung der Stadt mit einem mächtigen castilianischen Heere herangerückt, und
die Königin Jsabella, begleitet von den schönsten Damen ihres Hofes, war
ihrem Gemahl ins Lager gefolgt. In kurzer Zeit erstand im Angesicht der