II. Der Wohnort
129
sie zu verkaufen und die alten, schadhaft gewordenen Geschirre auszu-
bessern, wie heutzutage ja auch viele Schuhmacher Fabrikwaren verkaufen.
(Es ist aber schade, daß die Fabrikarbeit so den Handwerker verdrängt und
diesem nur die geringere Flickarbeit übrigläßt.
e) Geschichtliches. Im Mittelalter hatten sich die Handwerker zu festen
verbänden, Zünften oder Innungen, vereinigt. So bildeten die Schuh-
macher, die Sattler, die Gerber, die Färber, die Wollenweber ihre Zünfte,
und manche von ihnen hat in der Geschichte eine hohe Bedeutung erhalten,'
denn wenn der Feind nahte, versammelte der Zunftmeister die be-
waffneten Meister und Gesellen seines Zeichens um sich, und dann wurde
das Feld vom Blute rot „gefärbt" und das Fell der Feinde „gegerbt"
(Reutlinger Schlacht).
Jede Zunft hatte ihre Satzungen. Frömmigkeit und ehrbarer Le-
benswandel waren erste Bedingungen für den Handwerker. Die Krbeit
galt als frommes, gottgewolltes Merk. Ein heiliger war der Schutz-
patron der Zunft (Umzüge.) Wer dem Spiel, dem Trunk oder der
Unsittlichkeit nachging oder entehrende Strafen erhalten hatte, wurde aus
der Zunft gestoßen. Der Sonntag wurde streng heilig gehalten, dem Nächsten
in christlicher Liebe geholfen; der Witwen und Waisen nahm man sich gern an.
Jeder Meister durfte nur eine bestimmte Knzahl von Gesellen hal-
ten, damit er dem andern nicht das Brot nehme,' keiner durfte dem andern
Arbeiter ablocken. Der Arbeitslohn der Gesellen, die 5lrt der Rohstoffe
(z.B. des Leders), der preis und die Güte der Ware wurden genau festgesetzt
und scharf kontrolliert. Dagegen zwang die Gbrigkeit der Stadt die Bürger
auch, nur Waren aus ihrer eigenen Stadt zu beziehen. 5luch die Aufnahme
eines neuen Lehrlings, das Einschreiben, geschah meist feierlich im
Rathause, vor versammeltem Rat der Stadt, und der Meister übernahm
während der Lehrzeit Vaterstelle an dem Jüngling, bis seine Losspre-
chung erfolgte und er seinen Lehrbrief erhielt. In diesem festen Ge-
füge hat sich das Handwerk lange wohl gefühlt, und das Handwerk hatte
damals noch „einen goldenen Boden".
vielfach waren die Handwerker reine Künstler geworden: sie schufen
die herrlichsten Bauten, die prächtigsten Verzierungen in Eisen, holz, Leder
und Ton, und viele von ihnen übten sich auch in der Dichtkunst. Unter
diesen „Meistersingern" ist der Schuhmacher Hans Sachs aus Nürn-
berg der bedeutendste. Wie er dichtete, erfahren wir aus dem Lesestück „Das
Schlaraffenland", event. vorlesen einiger Legenden von Hans Sachs
(St. Peter und die Geiß, St. Peter und die Landsknechte).
Das glückselige Haus.
1. hier sieht man schon den Fleiß frisch an die Krbeit zehn,
bevor noch in dem Dorf die frühen Hähne krähn,
und wie die Drdnung sorgt, daß alles nett und rein,
so führt die Ehrlichkeit die Schlüssel zu dem Schrein.