— 172 —
genommen. Er erzählt nämlich: „Ein Kasuar kam zu einem Flußufer, stand
einige Augenblicke still, das Wasser aufmerksam betrachtend, gmg in das
Wasser hinein, welches dort etwa einen Meter tief war und tauchte teilweise
unter, wobei er die Flügel ausstreckte. So blieb der Vogel vollständig be-
weguugslos, sogar mit geschlossenen Augen, eine Viertelstunde lang, zog dann
plötzlich die Flügel an und trat an das Ufer zurück. Während er sich hier
schüttelte, fiel eine Anzahl kleiner Fische aus seinen Flügeln und Federn
heraus, welche sofort aufgepickt und verschluckt wurden." — Nicht selten
konnte ich von meinen Schulkindern hören, daß sie einen fischenden Kasuar
bemerkt hätten. Er soll besonders gern nach Flußkrebsen fahnden. Ich habe
einen Kasuar auf einer Insel des Powellflusses Mawilu) beobachtet, der den
Sandboden nach Muscheln absuchte.
Das Fleisch des Kasuars ist etwas zähe, sonst aber recht wohlschmeckend
und wird von manchem den hiesigen Wildschweinen vorgezogen. Der Bai-
ninger jagt den Vogel nicht nur des Fleisches, sondern auch der Federn
wegen, die er zur Verzierung seiner Schmuckgegenstände benutzt.
P. Roscher,
15. Die Sorge für den Landfrieden auf den Bismarckinfeln.
Krankheiten, Kindersterblichkeit sind zweifellos von erheblicher Bedeutung
für die niedrige Bevölkerungsziffer im Archipel, doch läßt sich die geringe
Dichtigkeit der" Bevölkerung daraus allein nicht erklären. Eine Hauptursache
dafür, daß die Eingeborenenzahl eine so niedrige geblieben ist, dürfte vielmehr
in den beständigen Kämpfen der Eingeborenen untereinander zu suchen sein.
Überall im Bismarck-Archipel wiederholt sich dasselbe Bild: kleine Stämme,
welche in beständiger Fehde mit anderen Stämmen, bisweilen ihren nächsten
Nachbarn, liegen. Das Dasein vieler dieser Stämme kann man zutreffend mit
dem eines Rudels Raubtiere vergleichen, das bald auf Raub ausgeht, bald
selbst gejagt wird. Die Fehden zwischen einzelnen Stämmen herrschen häufig
seit Menschengedenken und müssen nach Eingeborenenbegriffen in alle Ewigkeit
fortgehen. Es besteht überall der Grundsatz der Blutrache in ausgepräg-
tester Form. Mord erfordert wieder Mord. In manchen Gegenden, wie auf
der Gazellehalbinsel, ist Abkauf von Mordtaten durch Muschelgeld mög-
lich, in anderen Gegenden, wie bei einigen Stämmen Neumecklenburgs,
erfordert dagegen vergossenes Blut in jedem Falle Sühnung durch Tötung
von Gegnern, ohne daß die Möglichkeit einer anderen Beilegung gegeben
ist. Die beständigen blutigen und grausamen Kämpfe unter den Eiugebore-
nen, besonders aber die fast allgemein geübte Gewohnheit des Tötens von
Weibern und Kindern, bildet das wirksamste Hemmnis für die Zunahme der
Bevölkerung oes Bismarck-Archipels.
Besonders auf der Gazellehalbinsel hat es einer Reihe für die (Singe-
borenen verlustreichen Kämpfe bedurft, ehe friedliche Zustände und die An-
erkennuug der obrigkeitlichen Gewalt herbeigeführt werden konnten. Die
Abgeschlossenheit der einzelnen kleinen Stämme gegeneinander, die Gewöhnung
an einen beständigen Kriegszustand, die Lust am Mord und Menschenfraß