Full text: Heimatskunde der Provinz Westfalen

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Kuno, daher der tiefe Schmerz; Jahre lang hatte Hilda schon um 
Kuno getrauert, aber der, den sie liebte, blieb verschwunden. Ter 
Vater hatte für Hilda einen Freier bestimmt, trotzdem erklärte sie, 
niemals heiraten zu wollen. Aber des Vaters Starrsinn ließ sich 
nicht so leicht brechen, dieses wußte auch Hilda. Eines Tages 
sammelten sich in dem weiten Burghofe viele Ritter aus den 
deutschen Gauen, und darüber verwunderte sich Hilda sehr. Ein 
Herold trat in den Kreis der Ritter, entfaltete eine Pergament- 
rolle, und man vernahm die Worte: „Ich, der Graf von Rieneck, 
thue hiermit kund und zu wissen, daß ich demjenigen, der mich beim 
Schwerterkampfe in den Sand streckt, meine Tochter Hilda zum 
Weibe gebe." Als Hilda diese Worte hörte, stieß sie einen gellenden 
Schrei aus und stürzte ohnmächtig zu Boden. Vom Vater hatte sie 
kein Erbarmen zu erwarten, das wußte sie nur zu gut. 
Am andern Tage begann der Kampf. Ein Ritter nach dem 
andern wurde von Rieneck aus dem Sattel gehoben und schon 
wagte es niemand mehr, mit dem siegreichen Ritter zu kämpfen. 
Ta sprengte ein schwarzgekleideter Ritter in den Burghof, neigte 
sein Haupt und sprach: „Wie ich vernommen, soll um den Besitz 
des Burgfräuleins gekämpft werden, wie man um einen goldenen 
Kranz kämpft. Ich, der Lyntburger, gebe mein Leben für die 
Maid dahin." Zornentbrannt zog Rieneck sein Schwert, und nun 
begann ein furchtbarer Kampf. Kunos Schwert sauste Hernieder 
und tätlich getroffen sank Rieneck zur Erde. Vom Erker aus hatte 
Hilda dem Zweikampf zugeschaut, und als sie den Vater sinken 
sah, stieß sie einen furchtbaren Schrei aus. Kuno erblaßte, warf 
sein Schwert weit von sich und verschwand. 
Das Burgfräulein, obwohl namenloses Weh im Herzen, trug 
das herbe Loos in frommer Ergebung. Auf dem Gesteine, welches 
das Blut des geliebten Vaters getrunken hatte, ließ sie ein Kreuz 
aufrichten mit dem Bilde dessen, der für die Sünden der Welt frei- 
willig den bittersten Tod gestorben. Wenn der Schmerz sie über- 
mannte, eilte sie zu dem Kreuze und flehte im heißen Gebete zu 
dem Allbarmherzigen um den Frieden ihrer Seele, — und er ward 
ihr gewährt. Sie sagte sich los von der Erde und nahm den Schleier. 
Die prächtige Burg Rieneck wurde zu einem Kloster Nonnenstein
	        
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