XIV. Die Pyrcnäenhalbmsel.
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Fußes schreiten wir durch das mit gelbem Sande bedeckte Bett. Nur im
Frühling und Winter ist er wasserreich. Madrids Häuser haben meistens
flache Dächer. Die Fensterläden sind geschlossen, herrscht doch eine Hitze von
40 Grad. Wir treten in ein Zimmer, es ist völlig dunkel, denn dichte Vor¬
hänge sind noch davorgezogen. Fast kein Mensch läßt sich auf den glühenden
Straßen erblicken. Wenn aber abends die Hitze sich verringert, wird es lebendig.
Jetzt öffnen die Kaufleute ihre Läden; jetzt kaufen die Madrider und
Madriderinnen ihre Waren. Auf den Plätzen und schattigen Promenaden
wandelt eine dicht gedrängte Menge. Fortwährend preisen Wasserträger
frisches, klares Trinkwasser an. Sie rufen: Wasser, Wasser; wer wünscht
Wasser und Wasser klar und frisch wie der Schnee! Doch ist das Wasser durchaus
nicht frisch vom Brunnen geschöpft. Der Spanier trinkt fast nie frisches Quell¬
wasser. Er sammelt in der regenreichen Zeit Wasservorräte und hebt sie ein
halbes Jahr, ja ein Jahr und länger auf. Er meint, das Wasser würde wie
der Wein besser, wenn es älter sei. Seine Wassergefäße sind löcherige Ton¬
geschirre, welche fortwährend tropfen. Durch die stetige Verdunstung hält sich
das Wasser viel frischer als in undurchlässigen Krügen.
Auf der spanischen Hochebene gibt es außer den dürren Steppen und
Grasländereien auch Bezirke, auf denen man Ackerbau treibt. Man bewässert
wie in Italien die Felder künstlich. Das ist freilich nicht leicht, da ja die Flüsse
so tief eingeschnitten sind. Durch Schöpfräder hebt man das Wasser aus dem
Flusse empor. Maultiere setzen sie in Bewegung. Man müßte aber die künst¬
liche Bewässerung noch viel mehr anwenden und die Schöpfräder durch Wind¬
mühlen treiben lassen. . Man sollte auch Wälder anpflanzen, denn sie würden
im Sommer die Hitze und im Winter die Kälte mildern. Am fruchtbarsten
sind die Landstriche nördlich vom Duero und südlich vom Tajo. Neukastilien
gilt als eine Kornkammer Spaniens. Leider ist der kastilische Bauer träge
und ein Feind der Bäume; denn er meint, die Bäume zögen die Vögel an
und schützten sie und die Vögel fräßen ihm die Saaten weg. Er sieht also
nicht ein, daß der Nutzen der Wälder und Bäume viel größer ist als der geringe
Schaden mancher Vögel.
5. Die spanischen Fruchtauen.
a) Das andalusische Tiefland. Spanien besitzt auch fruchtbare
Landstriche; ein solcher breitet sich auf beiden Seiten des Guadalquivir aus
und heißt das andalusische Tiefland. An Größe ist es der Rheinprovinz gleich.
Hier ließen sich ehemals die germanischen Vandalen nieder, von ihnen hat es
den Namen Andalusien geerbt. Umrahmt wird das andalusische Tiefland im
Norden von der Sierra Morena, im Süden von dem Gebirge von Granada.
Der Guadalquivir bewässert es, aber unterhalb Sevillas bildet es ein
Sumpsland. Wie Po und Arno, bringt auch der Guadalquivir eine un¬
geheure Menge von Sinkstoffen mit und schwemmt sie an der Mündung an.
Die ganze Ebene ist Schwemmland. Da das Gebirge Granada mit der
Sierra Nevada über die Schneegrenze emporreicht, sendet es dem Guadalquivir
viel Wasser zu. Dieser ist deswegen der wasserreichste Fluß Spaniens und
weithin schiffbar und sogar das ganze Jahr hindurch, da er im Sommer nicht
zu wasserarm wird.
Das andalusische Tiefland ist heiß; denn die warmen südwestlichenWindehaben
freien Zutritt, aber die rauhen Nordwinde werden durch die Siera Morena
abgehalten. Es enlpfängt auch mehr Niederschläge als das spanische Hochland.
Ratgeber I. Franke. Erdkunde, Tetl 2. 13