Full text: Die außerdeutschen Länder Europas (Teil 2)

IV. Die Niederlande. 
75 
see hatte, da ruhte sie nickt eher, als bis sie die Straße immer breiter ausgewaschen 
hatte. So erhielt die Südersee ihre heutige Gestalt. So bekam Hollands Küste 
seine gegenwärtige Form. Man hat nachgerechnet, daß Holland durch diese 
Meereseinbrüche wenigstens ein reichliches Viertel seines Gebietes einbüßte. 
Es ging aber nicht bloß viel Land verloren. Oster kamen dabei auch Hunderte, 
ja Tausende und sogar Zehntausende von Menschen ums Leben. Das ungestüme 
Meer vertrieb die Menschen, die ihrer Habe und ihres Lebens nicht mehr sicher 
waren. Sie wanderten nach Osten und besiedelten die Länder an der Saale, 
Elbe, Havel, Spree usw. Um das Unglück nock zu erhöhen, wanderten die Dünen 
landeinwärts. Wenn die lange Dünenkette in hundert Jahren nur 100 m land¬ 
einwärts wandert, dann geht schon viel Land verloren. Das macht nämlich in 
1000 Jahren einen Kilometer. Die alten Römer bauten vor der Mimdung 
des Rheins eine Burg; heute liegt diese 3000 in weit in der Nordsee. In Sche¬ 
veningen mußte man die Kirche schon zweimal landeinwärts verlegen. Bald wird 
man sie zum dritten Male einrücken müssen. Die holländische Küste senkt sich ein 
klein wenig. In einem Jahre sinkt hier der Boden um 3—5 mm tiefer in das Meer 
ein. Das ist nur wenig, ganz unbedeutend. Aber in hundert Jahren sind das 
bereits 3—5 cm. In tausend Jahren macht das 30—50 cm, in 2000 Jahren 
schon bald einen Meter aus. Da nun das Land an sich schon sehr tief, ja viel zu 
tief liegt, so ist ein Meter weiterer Senkung ein höchst gefährlicher Nachteil. 
Besser wäre es für Holland, wenn sich der Boden höbe. 
Durch die ständigen Landverluste hat Holland in 700 Jahren gegen 
9000 qkm Land eingebüßt. Das ist die halbe Provinz Schleswig-Holstein oder 
soviel wie das Großherzogtum Hessen und das Herzogtum Altenburg zusammen. 
Ist das nicht ein gewaltiger Verlust! Soll man das Meer weiter wüten und das 
Land ungeschützt verheeren lassen? 
4. Schutzmittel gegen das Meer und Wasser. 
Das Meer hat selbst ein Schutzmittel gegen sein Wüten geschaffen. Es 
wehte einen Dünensaum auf. Er schützt namentlich das Land zwischen der Maas 
und der Südersee. Am höchsten und breitesten ist er in der Mitte. Hier ist die 
Küste auch am wenigsten zerrissen. Das ist ein großer Vorteil, da das Hinter¬ 
land unterm Meeresspiegel liegt. Die Dünen sind aus dieser Strecke bis zu 5 km 
breü und darum mit Wäldern bewachsen. Im Süden ist ihre Höhe und Breite 
geringer. Deshalb konnte das stürmische Meer den Dünensaum durchbrechen 
und die Inseln und Buchten im Mündungsgebiet der Schelde, der Maas und 
des Rheins schassen. Im Norden war der Dünenwald erst recht niedrig und schmal. 
Deswegen hahnte sich hier die wogende Nordsee einen Zugang zu dem Binnen¬ 
see und schuf so die gewaltige Südersee, die halb so groß wie das Großherzogtum 
Oldenburg ist oder etwas kleiner als das Großherzogtum Weimar oder das 
Herzogtum Braunschweig. Es war nur gut, daß die westfriesischen Inseln erhalten 
blieben. Sie brachen und brechen die Gewalt der tosenden Wellen und schützen 
so das Land dahinter. 
Doch genügt dieser natürliche Schutz des Meeres nicht. Er mildert nur den 
Ungestüm des Wogenpralls. Aber ein großer Teil, ein Viertel des Landes liegt 
ja unterm Meeresspiegel. Ja, wenn rings um dieses Gebiet des tiefsten Landes 
ein hoher Dünenwall sich zöge, dann ginge es wohl an. Aber die Küste des Süder- 
sees ist schon tiefer als der mittlere Wasserstand der Nordsee. Treibt nun ein Nord- 
sturm unaufhörlich Wasser in die Südersee, so steigt hier das Wasser. Es würde 
nun weite Gebiete verheerend überfluten und in einen See, in einen Meeres-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.