Full text: Bilder vom Niederrhein (Bd. 5)

330 Das rüstige Wupperthal. 
verkaufte während des Jahres 1635 an Heinrich Jakob de Grvot in Ronen 
für 32,858 Thaler Garn uud verdiente daran hundert Prozent. Ein Haupt- 
Hebel für die Steigerung des Wohlstandes war die Geschicklichkeit, mit welcher 
die Fabrikanten des Thales sich fremde Kunstgriffe aneigneten. In der Baum- 
Wollenindustrie lernte man Neues zu Rouen.-die Nankings uud Foulards sah 
mau den Ostindiern ab, die Rothfärberei kam aus dem Osten, und die Seiden- 
stoffe ahmte man den Lyonern nach. 
Von großer Bedeutung sind die Türkisch -Rothfärbereien des Wupper- 
thales. Wie man erzählt, kam das Geheimnis; der duukelrotheu Farbe, die 
weder durch Waschen noch durch Bleichen verschießt, vor etwa hundert Jahren 
durch thessalifche Griechen nach Europa. Nach Elberfeld brachte es der Sage 
nach ein Sachse, der lange Jahre in der Türkei gelebt hatte und auf der 
Heimreise des Geldes bedurfte. Er verkaufte das Geheimnis; für wenige Gold- 
stücke an einen Färber. Tie Kunst wurde jedoch zu einem solchen Grade der 
Vollkommenheit gebracht, daß Elberfeld die Erfindung füglich als Eigenthum 
beanspruchen darf. Das wupperthaler Fabrikat verdrängte sehr bald sogar 
die Rothgarne in der Türkei und beherrschte eine Zeit lang den ganzen enro- 
päischen Markt. Heutzutage ist die Türkisch-Rothfärberei eine selbständige In- 
dnstrie. An der Spitze stehen Kaufleute, welche das Garn so billig als möglich 
aufkaufen, es durch die Färberei veredeln und dann ans eigenes Risiko ver- 
handeln. Auch die Technik hat sich geändert, einmal durch Anwendung von Arbeits- 
Maschinen, dann durch Ersetzung des Krapps durch Anilin- und Alizarinfarben. 
Tie Verfassung der „Garnnahrung", welche vor Zeiten dem Thale großen 
Segen gebracht hatte, war allmählich zn einer lächerlichen Form geworden. Im 
Anfange des Juli gingen zwar die Garnmeister mit den Beamten noch über 
die Bleichen, forderten die Bleichzettel und schrieben die Bnrschen auf, welche 
noch uicht vereidigt waren: aber der ganze Umgang galt nur als Einleitung 
zu dem hergebrachten Schmause. Das Monopol wurde im Jahre 1810 voll- 
ständig beseitigt, nachdem es bereits gegenstandslos geworden war. Die Rasen- 
bleichen in der Mark, in Hannover und Braunschweig waren bedeutend billiger. 
Nach 1815 gab es im Thale keine Bleichplätze mehr; wo eine Bleiche noth- 
wendig ist, steht sie mit der Färberei in Verbindung und ist eine chemische. 
So hatte die Garnnahrung ihren Zweck erfüllt, eine Anzahl von großen Kauf- 
herreu auszubilden, welche die Warenpreise festzuhalten im Stande waren nnd — 
was noch wichtiger war — Kapital und Intelligenz genug besaßen, im gegebenen 
Augenblicke einen Artikel zn verlassen und einem neuen sich zuzuwenden. 
Gelegentlich mußten wir schon des zweiten Hauptindustriezweiges des 
Wupperthales, der Weberei, Erwähnung thuu. Die Leinweber hatten Werk- 
statten von bedeutendem Umfange, befanden sich in gnter Lage und fanden ihre 
Organisation in der Leinweberzunft, deren Privilegium im Jahre 1743 be- 
stätigt wurde. 
Um Meister in der Zunft zu werden, mnßte man drei Jahre gelernt 
und längere Zeit als Knecht gedient haben. Ferner mußte man ein Meister- 
stück aufweisen, bestehend in einem Stück Ziechen oder Doppelstein, seine eheliche 
Geburt nachweisen, das Bürgerrecht erwerben uud eine Abgabe an die Zunft- 
kaffe leisten. Die Znnst, welche mancherlei Anfeindungen von Seiten der 
Kaufleute nicht gewachsen war, bestand nur bis zum Jahre 1783; schon aus
	        
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