Full text: Brandenburgisch-preußische Geschichte in Verbindung mit der neueren deutschen Geschichte (H. 4 = Kl. 2)

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Der wirtschaftliche Kufschwung seit 1870. 
auch im wirtschaftlichen Leben offenbarte sich der Segen der Einheit. Bis 
Zur Seit des Norddeutschen Bundes gab es in Deutschland die verschiedenartigsten 
Maße und Gewichte, was den Handelsverkehr ungemein erschwerte. Der Nord¬ 
deutsche Bund hatte diesem Übel schon ein Ende gemacht. Es wurde (1868) eine 
einheitliche Maß- und Gewichtsordnung und zwar nach dem Dezimalsystem durch- 
geführt. Im neuen Deutschen Reiche kam die Münzeinheit hinzu; auch dieser liegt 
das Zehnersystem zugrunde. 
Deutschland erhielt ferner ein einheitliches Post- und Celegraphenwesen; 
nur Bayern und Württemberg haben sich auch hierin besondere Rechte vorbehalten. 
In seinem Postwesen wird das Deutsche Reich von keinem Lande übertreffen. Dies 
haben wir besonders dem ersten Leiter des Reichspostwesens. Stephan, zu danken. 
(Was meint man wohl mit „Stephansjüttger"?) 
3a, um alle Kulturländer hat sich Stephan verdient gemacht; denn er ist der eigent¬ 
liche Begründer des Weltpostvereins (1874 und 1878). Sämtliche Staaten mit geordnetem 
Postbetriebe gehören diesem an. Seitdem kann man nach den entferntesten Gegenden des 
ausländes für das gleiche niedrige Porto (Einheitsporto) Postsendungen besorgen, und der 
Iveltpostverkehr hat sich mächtig entwickelt. 
Über das ganze Eisenbahnwesen führt das Reich die Hufficht; es fetzt die 
preise für den Fracht- und Personenverkehr einheitlich fest. Gern hätte Bismarck auch 
alle Bahnlinien für das Reich erworben. Doch das ist nicht gelungen. Nur die 
Bahnen in Elsaß-Lothringen wurden vom Reiche angekauft oder neugebaut. 
Deutschlands wirtschaftlicher Aufschwung seit der Neugründung 
des Reiches. 
„Der deutsche Michel ist erwacht." Bis zur Neugründung des Reiches galt Deutsch, 
land als ein armes Land. Seine Industrie, verglichen mit der englischen, war ganz 
unbedeutend und ebenso sein Rnteil am Welthandel. Es gab weder deutsche Kolonien 
noch eine deutsche Kriegsflotte. Die Nachbarn hielten das deutsche Volk auch für unfähig, 
im Gewerbe, im Handel und in der Schiffahrt etwas Tüchtiges zu leisten. Sie nannten 
uns „das Volk der Dichter und Denker"; das war ebensosehr ein Spottname wie 
ein Ehrenname. „Der deutsche Michel schläft, während andere Völker Meere und 
Länder verteilen und Reichtümer erwerben," so spotteten sie über das deutsche Volk. 
— (Es kam die große Seit der (Einigungskriege; aus dem zerrissenen Vaterlande 
wurde ein einiges mächtiges Reich. Seitdem erfreut sich Deutschland des äußeren 
Friedens. Hber diese letzten 40 Jahre waren keine Seit der Ruhe, sondern der em¬ 
sigsten Krbeit und des großartigsten wirtschaftlichen Kufschwunges. 
Deutschlands Reichtum. Deutschland ist in Wahrheit gar fein armes Land. 
Sein größter Reichtum ist fein tüchtiges, gesundes Volk. Kaum irgendwo ist ein ge« 
wiffes Maß von Schulbildung fo allgemein verbreitet wie in Deutschland. Dem 
Heere und der Marine fehlt es nicht an körperlich tauglicher junger Mannschaft. 
Die Volkszahl wächst unaufhörlich. Sie ist feit 1870 von 45 auf rund 65 Millionen 
gestiegen, die Deutschen in der Fremde nicht mitgerechnet. — Deutschland ist auch 
ein fruchtbares Land. Es kann feine Millionen Kinder noch jetzt im Jahre etwa
	        
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