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C. Auf der Balkanhalbinsel.
der Regel von einem Hofe umgeben, in welchem sich Säulengänge sowie
Brunnen für die vorgeschriebenen Abwaschungen befinden. Getrennt von der
Moschee erheben sich bei derselben die Miuarets, schlanke, weiße Türme,
welche in der Hohe von Galerien umgeben sind. Da hinauf steigen die
Muezzin, um die Gläubigen zum Gebete zu rufen.
In der Rahe der Sophienkirche liegt der Hippodrom, ein Platz, der¬
einst Zeuge fröhlicher Festspiele sowie blutiger Parteikämpfe war. Bei einem
der letzteren fanden einst 40000 Menschen ihren Tod. Die Hohe Pforte,
westlich vom Serail, ist ein im Äußern wie im Innern einfaches, nüchternes
Gebäude, in welchem sich zwei Ministerien sowie die Arbeitsräume des Groß-
wessirs oder Ministerpräsidenten befinden. Bei dem weit von hier abliegenden
Seraskierat oder Kriegsministerium erhebt sich aus dem höchsten Punkte Stam-
buls der S er askierturm, welcher einen köstlichen und zugleich höchst lehr-
reichen Blick aus Stambul und seine Umgebung gestattet.
Ein buntes Bild orientalischen Lebens gewährt ein Besuch des Bazars.
Richt weit von der Neuen (unteren) Brücke gelangt man in den ägyptischen
Bazar. Ein durchdringender Geruch vou Gewürzen und Droguen empfängt
den Eintretenden. In langen überwölbten Straßen reiht sich ein Gewürz-
laden an den andern. Die Verkäufer, ehrwürdige Türken mit langen Barten,
hocken ernst mit untergeschlagenen Beinen in ihren Läden und erweisen
den zahlreichen Personen, die an ihnen vorübergehen, nicht die geringste Be-
achtung. Durch eiu Gewirr vou Gassen gelangt man in südlicher Richtung
nach dem Großen Bazar. Macht dieser für den ersten Augenblick den Ein-
druck eiues großen Trödelmarktes, so bemerkt man doch bald, daß hier die
kostbarsten Erzeugnisse der Kunst und Industrie aus alleu Gegenden des
Orients ausgestapelt sind. Er bildet eine Stadt für sich und besteht aus
einem solchen Labyrinth von Straßen, Gassen, Durchgängen, daß selbst der
Einheimische sich hier nur schwer zurechtfindet. Alle Straßen sind auch hier
überwölbt und empfangen meist Oberlicht, sodaß ein angenehmes Halbdunkel
herrscht. Jedes Gewerbe nimmt eine Straße für sich ein. Das Auge aber
kommt iu Zweifel, ob es lieber verweilen foll bei den Kunstarbeiten der
Juweliere und Goldschmiede oder den reizenden, goldgestickten Pantoffeln der
Schuhmacher, bei den weichen Seidentüchern aus Bagdad und den echten asia-
tischen Teppichen oder bei den alten, mit seltenen Steinen ausgelegten Waffen,
welche im Waffenbazar, dem Mittelpunkte des Bazars, feilgeboten werden.
Ganze Straßen sind von Parsümerien und wohlriechenden Essenzen durch-
dnftet, und hier ist der Ort, wo man echtes Rosenöl, Beutelchen mit Moschus,
aus wohlriechenden! Holz gefertigte Rosenkränze kaufen kann. Die Händler sind
in ihrem Austreten grundverschieden; einen angenehmen Eindruck aber macht