Full text: Europa (mit Ausschluß des Deutschen Reiches) (Bd. 2)

2. Madrid. 
13 
2. Madrid. 
Wenn man auf der Südseite der Sierra de Gnadarrama herabsteigt, sieht 
man eine weite, rötliche Fläche vor sich, die am fernen Horizont nach Osten 
und Westen dnrch kaum bemerkliche blaue Hügel begrenzt ist. Gerade nach 
Süden aber heben sich die zahlreichen Türme und Kuppeln der Hauptstadt 
Spaniens scharf von dem stahlblauen Himmel ab. Sowie man sich aber von 
dem Fuße des Gebirges entfernt, verliert der Boden den Charakter einer Ebene, 
den er, von der Höhe aus gefehen, zu haben schien. Wellige Hügel und thalartige 
Vertiefungen, die nach allen Richtungen die Fläche durchziehen, von Wiuterströmen 
häufig zu zerrissenen Schluchten ausgewühlt, bringen Abwechselung in die Ge- 
staltung des Plateaus; hin und wieder zerstreut, teils eiuzelu, teils zu souder- 
bareu Massen aufgetürmt, liegen große Blöcke grobkörnigen Granits mit glänzen- 
den roten Feldfpatkrystallen, Trümmer des nahen Gebirgsstockes. Von Pflanzen- 
wuchs uur wenig Spuren — einzelne Stecheichen, die Abhänge hier und da bedeckt 
mit mannshohem Ginster voll gelber Blüten. Von lebenden Bewohnern nicht 
viel mehr, als etwa unzählige Eidechsen, die zwischen jenen Felsblöcken in zier- 
licher Schnelligkeit herumschlüpfen. Das Aussehen der wenigen Dörfer, welche 
in dieser Einöde zerstreut liegen, ist ebensowenig geeignet, den Reisenden zu über- 
zeugeu, daß er sich der Hauptstadt eines großen europäischen Reiches nähert. 
Und doch — mitten in dieser kahlen Hochfläche liegt die moderne Hauptstadt 
von Spanien, 660 in über dem Meere, die höchstgelegene Großstadt Europas. 
Wenn iu folcher Umgebung gelegen Spaniens Hauptstadt sich nur seiner 
centralen Lage als eines Vorzuges rühmen kann, die es überdies mit der alten 
Tajostadt Toledo teilt, so drängt sich uns die Vermutung auf, daß dieselbe 
eine künstliche Schöpfung ist. Und in der That ist Madrid eine Willkürstadt, 
eine Stadt auf Königs Befehl, nur durch das Machtgebot eines Despoten zur 
Hauptstadt gestempelt. Zwar schon im 10. Jahrhundert als befestigter mauri- 
scher Vorposten von Toledo unter dem Namen Magerit erwähnt, blieb die Stadt 
doch im Mittelalter ein unbedeutender Pueblo zwischen schattigen Wäldern, ein 
Jagdrevier, wo Hirsche, Eber und Bären hausten. Seit dem Ende des 15. Jahr- 
Hunderts wurde Madrid zwar öfter Hoflager und Sitzungsstadt der Cortes, 
aber erst Philipp II. bestimmte die Stadt zur ständigen Residenz des geeinigten 
Spaniens uud ihm verdankt sie ihre jetzige Größe. Gegenwärtig ist Madrid, eine 
Stadt von \ Mill. Einwohnern, nicht bloß in geographischer, sondern anch in 
politischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Beziehung der Mittelpunkt der 
Monarchie und steht mit den Außenprovinzen durch die sich von ihm aus 
strahlenförmig nach Santander, Zaragoza, Alicante und Cadiz verzweigenden 
Eisenbahnlinien in Verbindung.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.