Full text: Europa (mit Ausschluß des Deutschen Reiches) (Bd. 2)

41. Die Gotthardstraße und die Gotthardbahn. 
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götzt, dem wird eine alte Sage verständlich werden. Sie berichtet, daß, als 
auf Befehl des zürnenden Gottes der Garten Eden von der Erde entrückt 
wnrde und seine dienstbaren Geister mit ihrer Bürde über die Alpen dahin- 
schwebten, diese, von der silberumstrahlten Majestät der Jungfrau und dem 
Glänze der blauen Bergseen entzückt, ein Stück des Gartens hier niederlegten, 
nm die Schönheit der Landschaft zu einer vollkommenen zu macheu. 
Nach Gerber und Kaden. 
41. Nie Gotthardstraße und die Gotthardbahn. 
Die Zeit, da man zuerst den Gotthard als Paß benutzte, läßt sich nicht 
mit Sicherheit bestimmen. Die Römer mögen diese Einsattelung zwar gekannt 
haben, aber wegen der Schwierigkeit des Auf- uud Abstieges mieden sie diesen 
Gebirgsweg, wählten den Julier und Splügen als Übergang zum Rheinthale, 
nach Vindelicien und der nördlichen Schweiz und zogen über den Brenner nach 
Germanien. In späterer Zeit aber wurde die Gotthardstraße trotz Lawinenge- 
fahr und einzelner gefährlicher Stellen als der kürzeste Übergang, der den Norden 
mit Italien und dem Mittelmeere in Verbindung setzte, ein belebter Verkehrs- 
weg. Freilich war der nur drei bis fünf Meter breite, mit den Granitrollsteinen 
der Reußbäche gepflasterte Pfad kein allzubequemer Weg, und der Handel konnte 
nur mit Hilfe der Saumtiere getrieben werden, starkknochiger Packpferde oder 
Maultiere, die nach ihrer Last (drei Centner nannte mau eiu Saum) den 
Namen erhielten. Obwohl [man auf dem Wege von Flüelen bis nach Bellin- 
zona bei günstigstem Wetter mit Saumrossen vier Tage brauchte, war der 
Verkehr dennoch ein überaus reger. Alljährlich überschritten 16000 Reisende 
und 9000 Saumtiere den Gotthardpaß, und der Ertrag der Zollgelder stellte 
sich für den Kanton Uri jährlich auf 20 000 Gulden. 
So blieb es bis in das erste Viertel unseres Jahrhunderts. Als aber 
die Verkehrswege über den Bernhardin und Splügen zu sicheren, breiten und 
bequemen Straßen ausgebaut wurden, da drohte der Gotthardpaß zu veröden, 
und darum entschlossen sich die Bewohner von Uri und Tessiu, den Saumweg, 
der sür ihr Land von so hoher Bedeutung war, zu einer breiten und nicht 
minder sicheren Straße umzugestalten. So entstand im dritten Jahrzehnte 
unseres Jahrhuuderts die viel bewunderte Kunststraße über den Gotthard, ein 
großartiges Denkmal der Thatkrast uud Opferwilligkeit der Bürger Uns.*) 
Folgen wir ihrem Zickzack. Von Flüelen am Südende des Urner Sees 
führt die Straße durch das breite untere Renßthal, in deffen Hintergrunde 
*) Die 19 armen Gemeinden Uris hatten 1260 090 Franken aufzubringen.
	        
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